Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
bei ihnen ist. Falls ja, folg ich ihnen.
Niemand guckt. Ich heb den Riegel an. Schlüpf durch die Tür.
I ch steh vor der Scheune. Gegenüber ist ein großer offener Schuppen. Ich kann Werkzeug, Bretter, Wagenteile, einen Pflug erkennen. Rechts von mir Stoppelfelder. Links von mir der Hof und das Haus.
Ich hör eine Stimme. Laut. Selbstsicher. Der Befehlshaber. »Ihr zwei«, sagt er, »trennt euch und überprüft kurz die Scheune, dann machen wir uns wieder auf den Weg.« Ich stürz in den Schuppen. Versteck mich hinter einem Bretterstapel. Und plötzlich fühl ich es. Der Herzstein. Ich berühr ihn. Er ist warm. Der Herzstein weiß es.
Jack ist hier.
Er ist hier.
Sofort fang ich an zu zittern. Mein Atem geht schnell und flach. Jemand kommt um die vordere Ecke der Scheune, er hält eine Fackel hoch, um sich zu leuchten.
Es ist Jack. In seinen schwarzen Tonton-Gewändern und der Rüstung. Kurze Haare. Glatt rasiert. Langsam geht er an der Scheunenseite lang. Hält die Fackel höher, dann wieder tiefer, sieht nach, ob alles in Ordnung ist.
Während er auf mich zukommt, beobachte ich ihn aus den Schatten. Die Zeit erzittert. Bleibt stehen. Wartet. Ich guck ihn an. Sein Gesicht, seine Lippen, seine schiefe Nase. Seine silbergrauen Mondlichtaugen.
Der Herzstein brennt, heiß und wahr. Ich sehn mich schon so lang nach ihm. Ich vermiss ihn so sehr. Es tut mir im Herz weh, ihn wiederzusehen. Ich mach den Mund auf, um seinen Namen zu rufen. Kann mich gerade noch bremsen. Aber sein Kopf fährt zu mir herum. Als ob er wüsste, dass ich hier bin. Hab ich ein Geräusch gemacht? Er hebt die Fackel. Im selben Augenblick hör ich über mir was rascheln. Ich guck hoch. Jack auch.
Die Seitenwand der Scheune ist direkt gegenüber vom Schuppen. Oben in der Wand ist eine Tür zum Maisspeicher eingelassen, eine lange Leiter führt außen rauf. Die Tür steht offen. Jemand kommt die Leiter runtergehuscht. Emmi.
Jack nimmt die Pfeife, die ihm um den Hals hängt. Er bläst rein. Schlägt Alarm. Meine Füße bewegen sich, aber zwei starke Arme packen mich von hinten. Eine Hand wird mir auf den Mund gedrückt, mit der anderen zieht mich jemand fest an sich. Es ist Bram. »Keinen Mucks«, flüstert er mir ins Ohr. Wir beobachten, was passiert.
Em hüpft gerade die letzten Meter runter, da kommen noch mehr Tonton angerannt. Einer von der Rückseite der Scheune, vier von vorn, auch der Befehlshaber.
»Hab ich dich!«, schreit Jack. Er stürzt zu Em und pflückt sie von der Leiter. Wirbelt sie rum, dann schlägt er sie mit dem Handrücken ins Gesicht. Ihr Kopf fliegt nach hinten. Sie wird schlaff. Er lässt sie auf den Boden fallen.
Das alles hat nur einen Augenblick gedauert. Bram zerrt mich weiter zurück in den Schuppen. Wir hocken da und lauschen.
»Sie muss sich im Maisspeicher versteckt haben«, sagt Jack.
»Sie sieht stark und gesund aus«, sagt einer der Tonton. »Jedenfalls wenn du ihr nicht den Hals gebrochen hast.« Er hebt sie hoch und wirft sie sich über die Schulter.
»Nein«, sagt Jack, »es geht ihr gut.«
»Hoffen wir, dass sie später schön fruchtbar ist«, sagt ein anderer Tonton.
»Gute Arbeit, Bruder«, sagt der Befehlshaber.
Jack grüßt, die Faust überm Herz. »Ich diene dem Wegbereiter und New Eden«, sagt er.
Sie verschwinden um die vordere Scheunenecke.
B ram hält mich immer noch fest. Hält mir den Mund zu. Mein Atem geht stockend. Mein Körper zuckt. Zum Glück hat er mich aufgehalten. Zum Glück für mich, für uns alle, ist er so stark. Als Jack die Pfeife geblasen hat, als mir klar geworden ist, dass Em in Gefahr schwebt, ist die rote Hitze in mir angesprungen, und ich wär einfach losgelaufen. Und dann hat er sie geschlagen. Hat sie einfach bewusstlos geschlagen. Wenn ich frei gewesen wär, hätt ich mich auf ihn gestürzt. Hätt ihn mit bloßen Händen versucht zu töten.
Bram sagt leise und ruhig: »Wir bleiben jetzt ganz ruhig. Ich weiß, wo sie sie hinbringen. Wir machen einen Plan und holen sie zurück. Ist sie ein kluges Mädchen?«
Ich nicke.
»Dann wird sie zurechtkommen. So. Wir machen keinen Aufstand darum. Wir ziehen keine Aufmerksamkeit auf uns. Das bringt uns nur alle in Schwierigkeiten, deine Schwester auch. Wir gehen jetzt um die Ecke und winken ihnen zum Abschied zu, wie die braven Verweser der Erde, für die sie uns halten. Hier ist nichts passiert. Nichts, was ungewöhnlich wär für New Eden. Verstehst du? Dann nick.«
Ich nicke.
»Na gut«, sagt er. »Komm.«
Als
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