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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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gestorben ist?« Ein paar Sekunden schleppen sich in Zeitlupe dahin.
    »Wie bitte?«, fragt Gray mit scharfer Stimme. Ich warte auf den Gegenangriff. »Wo kommt diese Idee denn plötzlich her? Natürlich war ich nicht in Therapie!«, sagt er, als wäre es eine peinliche Schwäche, sich Hilfe zu holen. Als würde ihn das irgendwie abstempeln.
    »Und deine Eltern?«, frage ich und bemühe mich um einen harmlosen Plauderton. Für ihn klingt es anscheinend nach einem Verhör.
    »Nein«, sagt er kühl. »Ich weiß nicht. Kann ich mir kaum vorstellen.« Er starrt mich von der Seite an, und obwohl ich mich auf die Straße konzentriere, fühle ich seinen brennenden Blick. »Wir brauchen keinen Therapeuten«, sagt er. »Und außerdem ist die Psyche meiner Familie bestimmt nicht dein Problem.«
    Schluss. Ende der Diskussion. Aber so einfach gebe ich nicht auf. Mit ruhiger Stimme versuche ich Wasser aufs Feuer zu gießen und erkläre, warum es seiner Familie helfen würde, mit jemandem zu reden und zu lernen, wie man mit einem solchen Schicksalsschlag umgehen kann. Dadurch würde für seine Eltern auch die Übergangsphase leichter werden, wenn Gray in eine andere Stadt zieht.
    Er holt zischend Atem, als habe er Schmerzen. »Hast du diesen tollen Tipp aus einem Kirchenflyer?«
    »Nein«, sage ich ruhig.
    »Was weißt du schon darüber, wie man mit dem Tod umgeht?«, giftet er mich an. »Ausgerechnet du willst jemanden in Therapie schicken … «, fährt er fort, als sei ich hier die Verrückte. »Willst du behaupten, ich hätte Depressionen?«
    »Davon habe ich kein Wort gesagt. Obwohl das auch kein Grund wäre, sich zu schämen. Schließlich musstest du mit einer furchtbaren Tragödie fertig werden. Ich meine nur, dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht.«
    »Ich muss keinen Seelenklempner bezahlen, nur damit jemand mir erzählt, dass mein Leben bald wieder okay ist.«
    Ich hole tief Luft und entgegne, dass genau darin das Problem liegt. Sein Leben ist nämlich nicht okay, ganz egal wie sehr er versucht, diese Tatsache unter den Teppich zu kehren.
    »Manchmal braucht man professionelle Hilfe, um mit bestimmten Dingen fertig zu werden«, sage ich.
    Gray hebt abwehrend die Hände. »Bestimmt bilde ich mir dieses Gespräch nur ein«, sagt er und verschränkt die Arme eng über der Brust.
    »Es gibt Spezialisten für so etwas. Manche haben schon mit Hunderten von Leuten gearbeitet, denen es ähnlich ging wie euch«, sage ich. »Sie können euch Tipps geben, wie eure Familie besser mit der Situation zurechtkommt.«
    Er durchbohrt mich mit Blicken, als seien meine Vorschläge eine Beleidigung. »Ich brauche keine guten Ratschläge. Mir geht es prima.«
    »Eigentlich mache ich mir eher Sorgen um deine Eltern«, sage ich.
    »Wieso das denn?«, will er wissen.
    »Fühlt es sich nicht gut an, endlich über Amanda reden zu können?«
    Er antwortet mit einem kurzen Nicken.
    »Dann würde es deinen Eltern bestimmt auch helfen.« Ich halte meine Stimme ruhig und beiläufig. Mir ist klar, dass ich eine Grenze überschritten habe, indem ich mich plötzlich in seine Familienprobleme einmische. Aber geht es nicht genau darum, wenn einem jemand wichtig ist? Manchmal lacht man miteinander, umsorgt und inspiriert sich … und manchmal teilt man Schmerz und Wut und versucht, einen Teil der Last auf die eigenen Schultern zu nehmen. Jemanden in seinen Glücksmomenten zu lieben ist einfach. Ihn auch an seinen schlechten Tagen zu lieben, ist viel wichtiger.
    »Hör auf, dir Gedanken um meine Eltern zu machen. Du kennst sie doch nicht mal. Warum kaufst du ihnen überhaupt Mitbringsel und denkst dir Überraschungen für sie aus? Das ist total seltsam. Niemand sonst hat den Drang, unbekannte Menschen zu beglücken. Vielleicht solltest du selbst mal zur Therapie gehen.«
    Mir ist klar, dass er nur versucht, das Gespräch umzulenken. Seine Attacke ist nicht wirklich so gemeint. »Dich kenne ich aber schon«, sage ich, »und du machst dir Sorgen um deine Eltern. Deshalb bist du doch immer noch in Phoenix, oder nicht?«
    Er presst die Lippen zusammen und braucht eine Weile, um zu antworten. Die nächsten Worte schreit er mir regelrecht ins Gesicht. »Sie brauchen keine Therapie und sie gehen dich nichts an, also hör damit auf!« Ich ignoriere auch diesen zarten Hinweis. Da ich mich jetzt schon so weit aus dem Fenster gelehnt habe, sage ich mir: ganz oder gar nicht!
    »Ich finde nur, dass man manchmal ein Ventil braucht. Für deine

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