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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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jetzt nicht alles möglich, nach allem, was das Flüstern bewirkt hatte? Das Ding war im weitesten Sinn für Ellen Garners Tod verantwortlich, mit der Folge, dass Präsident Garner seinen Rücktritt erklärt hatte und damit Currey an die Macht gelangt war. Allein dieser Wechsel konnte sich auf den weiteren Verlauf der Geschehnisse ganz erheblich auswirken, ihm eine ganz andere Richtung geben.
    «Weltuntergang plus siebzig Jahre, hatten wir geschätzt», sagte Bethany. «Auf dieser Seite der Iris schreiben wir also ungefähr das Jahr 2080.»
    Travis nickte, sagte aber nichts. Er ließ den Blick umherschweifen. Von diesem Standort aus konnte er nicht nur die Vermont Avenue im Osten, sondern auch die M Street im Westen überblicken, etwa hundert Meter weit, ehe der Blick durch die Bäume verstellt wurde.
    Dann traf es ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nicht zu fassen, dass ihm das noch nicht längst aufgefallen war.
    «Wo sind die Autos abgeblieben?», fragte er.
    Er sah Bethany an. Ihre Reaktion verriet, dass auch sie sich dieser Sache erst jetzt bewusst wurde.
    «Die Karossen wären natürlich mittlerweile komplett weggerostet», sagte Travis, «aber von den Fahrzeuggestellen und Radfelgen müsste noch etwas übrig sein, und auch die Fenster und alle möglichen Kunststoffteile.» Er blickte sich um. «Sie müssten überall herumstehen.»
    Doch von Autowracks war weit und breit keine Spur zu sehen. Auf dem Weg vom Ritz hierher war ihnen nichts begegnet, was einmal ein Auto hätte gewesen sein können, und auch der nördliche Abschnitt der Vermont Avenue war, wie Travis jetzt nachträglich auffiel, wie leergefegt, als sie sich nach dem Abseilen aus dem Hotelzimmer kurz dort umgesehen hatten.
    «Die Leute müssen irgendeinen Grund gehabt haben, aus Washington zu flüchten ganz am Ende», sagte Bethany.
    Travis starrte auf die leeren Straßen und sann darüber nach. Malte sich aus, dass irgendeine Seuche auf der Welt grassierte und die Menschen massenhaft panisch aus Ballungszentren flüchteten.
    Nein, das war keine befriedigende Erklärung. Zunächst einmal würden nicht alle Einwohner fliehen, viele würden sich in ihren Häusern und Wohnungen verschanzen, weil sie nicht wussten, wo sie hinsollten. Auch in einem solchen Szenario könnten natürlich alle Fahrzeuge aus der Stadt verschwinden – wer selbst kein Auto hätte, würde am Ende jedes nur verfügbare Fahrzeug aufbrechen und irgendwie in Gang setzen –, doch da war noch ein anderes Problem, das schlicht nicht auszuklammern war. Bei einer überstürzten Massenevakuierung wäre der Verkehr in der gesamten Stadt binnen kurzem zum Erliegen gekommen. Ein Szenario, wie es sich in den Tagen vor einem großen Hurrikan immer wieder in großen Küstenstädten abspielte. An Hauptfluchtpunkten wie Brücken oder Autobahnzufahrten würden sich endlose Staus bilden. Menschen würden stundenlang am Steuer ihrer Autos sitzen, ohne nennenswert vorwärtszukommen. Dann würde einigen das Benzin ausgehen, während andere schlicht die Geduld verlieren und ihr Fahrzeug zurücklassen würden, um sich lieber zu Fuß in Sicherheit zu bringen. Schon einige wenige solcher Fälle genügten, um alle Straßen, die aus der Stadt hinausführten, wie mit einem Korken zu verstopfen. Und Hurrikanwarnungen wurden in der Regel drei oder vier Tage im Voraus ausgegeben. Die Neuigkeit vom Ausbruch einer Seuche, überlegte Travis, würde sich wohl ebenso rasch verbreiten. Wenn nicht noch rascher. Worauf der völlige Verkehrskollaps eingetreten wäre. Hätte eine Seuche den Untergang der Menschheit herbeigeführt, müssten auf der M Street und der Vermont Avenue unzählige Autowracks vor sich hin gammeln.
    Er wandte sich Bethany zu, die anscheinend gerade über denselben Punkt nachdachte.
    «Offenbar sind alle in ihre Autos gestiegen und weggefahren», sagte Travis. «Aber nicht überstürzt.»
     
    Sie kehrten zur Treppe zurück und setzten ihre Inspektion des Gebäudes Etage für Etage fort. Im achten Stock gingen sie hinüber zu der Nordwestecke, wo siebzig Jahre zuvor Paige festgehalten worden war. Der Bau wies auch hier keinerlei Auffälligkeiten auf. Einfach nur weitere Stahlträger und ein Betonfußboden, der noch nicht der Schwerkraft zum Opfer gefallen war.
    Travis starrte den entkernten Raum an. So irrational das auch war, er hatte unwillkürlich das Gefühl, als wäre Paige jetzt gerade irgendwie in der Nähe, nur wenige Meter entfernt, aber von hier aus unmöglich zu erreichen. Was

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