Éanna - Ein neuer Anfang
in New York Bürgermeister wird oder irgendeinen anderen wichtigen Posten bekommt. Vorausgesetzt natürlich, dass du dich hast einbürgern und registrieren lassen.«
»Und was machst du da jetzt genau?«, fragte Éanna skeptisch. Weder sie noch Emily oder Brendan hatten bisher die Zeit und das Interesse gehabt, sich eingehender mit den politischen Verhältnissen in ihrer neuen Heimat zu beschäftigen. Dennoch hatte sie ihre Zweifel daran, dass die Politik in Amerika wirklich so demokratisch und unproblematisch gehandhabt wurde, wie Tom Mahony behauptete. Zumindest an seiner neuen Arbeit war irgendetwas faul, das spürte sie. So schnell verdiente man als irischer Einwanderer in keinem ehrlichen Job genug Geld, dass man sich nach nur einem einzigen Arbeitstag neue Kleider kaufen konnte! So viel hatte sie in den letzten Tagen bereits gelernt.
»Na ja, später soll ich unsere Landsleute natürlich beraten – ihnen dabei helfen, die Einbürgerung zu beantragen und sich als Demokraten registrieren zu lassen. Denn allein die demokratische Partei vertritt die Interessen von unsereinem, wie ihr ja sicher wisst!«, entgegnete Tom Mahony mit belehrendem Unterton in der Stimme.
»Und was ist es dann, womit du im Moment so viel Geld verdienen kannst?«, hakte Emily nach, die langsam genug von diesen aufschneiderischen Geschichten hatte.
»Ganz einfach«, er lächelte sie breit an, »ich sorge dafür, dass die Leute bei der Wahl ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle setzen. Und gewählt wird hier alle naselang. Da gibt es also ständig jede Menge Arbeit für einen wie mich.«
»Du rührst also für die Demokraten die Werbetrommel?«, folgerte Emily.
Tom Mahony bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Quatsch! Das läuft hier ganz anders! Man kauft einfach die Stimmen, indem man den Leuten ein paar neue Schuhe, ein paar Pfund Kartoffeln oder auch mal eine Kiepe Kohlen zukommen lässt.«
Éanna nickte. Warum überraschte es sie nicht, was Tom da sagte. »Ich weiß nicht, ob es hier in Amerika ein anderes Wort für das gibt, was du machst, Tom Mahony«, stellte sie bissig fest. »Aber in Irland nennt man so etwas Bestechung und Wahlbetrug.« Scharf blickte sie ihn an. »Von ehrlich verdientem Geld kann also kaum die Rede sein!«
Tom ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Lässig winkte er ab. »Blödsinn! Und wennschon, Papier ist geduldig. Außerdem machen es die anderen Parteien doch genauso! Bei der letzten Bürgermeisterwahl haben die Republikaner heimlich fünfhundert Leute aus Philadelphia nach Five Points gekarrt, die hier eigentlich gar nicht wählen durften! Und das war keine Ausnahme, wie man mir in Tammany Hall versichert hat. Hier schenken sie einem nichts, Freunde. Politik ist eben nichts für Weicheier, die auf irgendein Geschreibsel pochen, das in einem verstaubten Gesetzbuch steht! Wer so dumm ist, der gibt den Löffel aus der Hand und überlässt den Republikanern freiwillig die Macht!«
»Dennoch bleibt es Betrug!«, beharrte Éanna.
Mitleidig blickte Tom Mahony sie an. »Mädchen, von solchen Dingen verstehst du eben nichts. Das ist was für Männer. Dass ihr Frauen nicht wählen dürft, kommt ja nun wirklich nicht von ungefähr!«
Sie hatte schon eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, als Brendan ihm ins Wort fiel. Gefährlich leise sagte er: »Tom, halt deinen Mund. Auf Éanna lasse ich nichts kommen – und auf Emily auch nicht!«
»Das will ich auch meinen!«, grollte Emily und schoss Tom Mahony einen bitterbösen Blick zu. »Was euch Männer über uns Frauen stellt, möchte ich doch zu gern einmal wissen. Intelligenz kann es jedenfalls nicht sein, so viel steht für mich fest, wenn ich dich reden höre, Mahony!«
Éanna lachte und auch Brendan musste bei Emilys Gefühlsausbruch grinsen.
Tom Mahony jedoch verzog nur säuerlich das Gesicht.
Bevor sich der Wortwechsel zu einem handfesten Streit ausweiten konnte, bemühte sich Brendan, das Gespräch wieder in eine weniger explosive Richtung zu lenken. »Da ist noch eine Sache, die ich bei diesem Stimmenkaufen nicht ganz verstehe, Tom: Wie könnt ihr denn bei einer Wahl auch sicher sein, dass die Leute, die ihr bestochen … äh, ich meine natürlich, die ihr für die Demokraten gewonnen habt, auch tatsächlich an der richtigen Stelle ihr Kreuz machen? Sie könnten doch auch einfach eure Geschenke erst annehmen und dann später an der Urne für die Partei stimmen, die sie eigentlich wählen wollen.«
Doch Tom Mahony war, wie seine verkniffene
Weitere Kostenlose Bücher