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Éanna - Ein neuer Anfang

Éanna - Ein neuer Anfang

Titel: Éanna - Ein neuer Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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kurze Querbalken eines H mit dem ebenso langen Broadway verband. Gleich fühlten sie sich ein bisschen besser und schöpften neue Hoffnung.
    »Es braucht eben alles seine Zeit«, bemerkte Éanna und umarmte Emily erleichtert, nachdem der Kutscher einer wartenden Mietdroschke, der seine Pfeife hatte anzünden wollen, ihnen an der Ecke zum Broadway ein weiteres Streichholzpäckchen abgenommen hatte. »Du wirst sehen, bald werden auch wir unser Revier abgesteckt haben und zu den alten Hasen im Geschäft gehören!«
    »Dein Wort in Gottes Ohr und in dem der lästigen Konkurrenz!«, erwiderte Emily lächelnd.
    Als sie über den Broadway wanderten, vergaßen die beiden für eine Weile ihre Geschäfte. Viel zu sehr waren sie damit beschäftigt, mit großen Augen in die herrlichen Auslagen zu blicken und staunend all den unbekannten Luxus zu betrachten, der sich ihnen in den vielen Schaufenstern bot. Doch sie hätten auf der Prachtstraße auch nicht die geringste Chance gehabt, ihre Ware zu verkaufen, war dies doch das Revier der ältesten und gerissensten Peddler, deren Blicke den beiden fremden Mädchen mit der Streichholzkiste argwöhnisch folgten, ohne dass diese es so recht wahrnahmen.
    »Mein Gott, von den meisten Dingen, die da in dem Schaufenster ausgestellt sind, weiß ich noch nicht einmal, wozu sie gut sein sollen!«, sagte Emily und blieb mit offenem Mund vor einem Geschäft stehen, das sich Madame Corbet’s French Kitchen nannte. Hier wurden aus Frankreich importiertes feinstes Porzellangeschirr und allerlei andere edle Haushaltsgegenstände präsentiert. »Was das wohl alles kosten mag? Sieh doch nur da drüben die wunderschön bemalte Suppenterrine mit dem Goldrand! Jedenfalls nehme ich mal an, dass es eine sein soll.«
    Éanna zuckte gleichmütig die Achseln. »Suppe bleibt Suppe, egal worin sie auf den Tisch kommt, das ist meine Meinung dazu.«
    »Ich bin sicher, dass in so einem Ding nur das beste Essen aufgetischt wird! Mein Gott, wie gut es diesen Leuten gehen muss, die sich so etwas leisten können«, fuhr Emily schwärmerisch fort und seufzte neidisch.
    »Hör schon auf zu träumen, Emily!« Éanna zog die Freundin, deren Nase fast das Schaufenster berührte und die bereits die missbilligenden Blicke einiger vornehm gekleideter Passanten auf sich gezogen hatte, an der Hand weiter. »Wir können uns doch auch nicht beklagen über das, was im Emerald Isle auf den Tisch kommt, oder? Satter kann man von dem Essen der feinen Leute ganz sicher auch nicht werden! Und jetzt lass uns endlich auf die Suche nach diesem verflixten Buchladen gehen!«
    Sehnsüchtig blickte Emily sich noch einmal um. »Einmal so ein Geschäft zu betreten und da etwas kaufen zu können, das werden wir beide wohl niemals schaffen.«
    »Emily, ich kann dich nur zu gut verstehen, aber hör bitte auf, so zu denken!«, bat Éanna die Freundin nun eindringlich. »Wenn man nur auf das schaut, was andere haben und was man selbst nie erreichen kann, macht man sich doch nur unglücklich! Denk lieber an die unzähligen Armen bei uns zu Hause in Irland, die halb verrückt vor Hunger sind und auf den Landstraßen zu Hunderten, ja Tausenden elend krepieren müssen. Oder an all diejenigen, die die Hungersnot vielleicht überleben, aber es nie schaffen werden, nach Amerika zu kommen. Für die sind wir die Glücklichen, weil wir eine zweite Chance bekommen haben!«
    »Ich weiß.« Emily seufzte, während sie Éanna in die Bleeker Street folgte, die links vom Broadway abbog. »Es war ja auch nur so ein Gedanke.«
    »Ja, und zwar ein ganz schön törichter! Solche Gedanken sind Gift! Und nicht nur für uns, sondern auch für jeden anderen, egal wie reich er sein mag! Weil sie einen nämlich unzufrieden und neidisch werden lassen. Und das nagt dann unablässig an einem wie ein gefräßiges Tier und macht alles kaputt, was man erreicht hat.«
    Emily lachte schon wieder und legte Éanna den Arm um die Schulter. »Was für weise Worte meine kluge Freundin von sich gibt! Manchmal kannst du ganz schön hart sein, Éanna Sullivan, weißt du das?«
    »Ach was«, Éanna schüttelte störrisch den Kopf, »ich bin nicht hart, sondern sehe die Dinge nur so, wie sie sind! Gegenstände, so wertvoll sie auch sein mögen, bringen kein Glück, das habe ich schon von meinen Eltern gelernt. Glück bringt nur das, was man im Herzen besitzt – zum Beispiel zu wissen, dass man eine Freundin hat, wie du sie bist.« Warm lächelte sie die überraschte Emily an und drückte

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