Éanna - Ein neuer Anfang
erklärte Éanna aufgekratzt.
»Dann haben wir es heute ja zusammen auf achtbare zweiundachtzig Cent gebracht!« Brendan lachte über die überraschten Gesichter der Mädchen, griff in seine Tasche und legte zwei Quarter, die je einem Vierteldollar entsprachen, zu dem kleinen Häufchen Eincentmünzen auf den Tisch.
»Du hast auch Arbeit gefunden?«, stieß Éanna aufgeregt hervor. »Wo? Und was? Nun erzähl schon, Brendan.«
»Unten am Hudson in der Fabrik Browning & Dunham. Das ist eine Eisengießerei am Ende der North Moore Street.« Übermütig umarmte er Éanna, während die Worte ihm nur so über die Lippen sprudelten. »Ich kam gerade rechtzeitig auf den Hof, als dort noch ein Paar kräftige Hände zum Abladen einer ganzen Reihe von Kohlefuhrwerken gebraucht wurde. Ich habe vorgesprochen und wurde sofort vom Vorarbeiter angeheuert. Und offenbar habe ich meine Sache so gut gemacht, dass ich morgen gleich wiederkommen soll. Man hat mir sogar Arbeit in der Gießerei in Aussicht gestellt, wenn ich mich in den nächsten Tagen als zuverlässig erweise. Und Teufel noch mal, ich werde der zuverlässigste Mensch auf der ganzen Erde sein! Und dann gibt es nicht nur einen halben Dollar Lohn, sondern fast das Doppelte, nämlich fünfundachtzig Cent. Später ist vielleicht sogar noch mehr für mich drin, wenn ich eines Tages einen Job an den Hochöfen ergattern kann.«
»Ach Brendan, das sind ja großartige Nachrichten! Jetzt geht es endlich mit uns aufwärts! Ich wusste doch, dass es früher oder später so kommen würde. Jetzt haben wir alle drei eine Arbeit!«, rief Éanna stolz vor Freude und gab ihrem Freund einen Kuss auf den Mund. Brendans Augen leuchteten auf.
»Was meint ihr, ist das heute nicht ein Grund zum Feiern?«, rief er überschwänglich. »Hey Conny, eine Runde Porter für uns drei!«
»Klar ist das ein Grund!« Éanna lachte und war in diesem Moment so glücklich wie schon lange nicht mehr. Und auch Emily hatte wenig gegen einen Krug Bier von Cornelius McCartys bestem Gebräu einzuwenden.
Es wurde ein richtig schöner ausgelassener Abend. Brendan, Éanna und Emily lachten und scherzten mit den anderen Gästen in der Schankstube, man erzählte einander Geschichten aus der alten und der neuen Heimat und schließlich begann ein alter Mann sogar mit tiefer wohlklingender Stimme, irische Volksweisen zu singen. Nicht einmal Tom Mahony störte an diesem Abend die Harmonie. Erst Tage später sollten sie erfahren, dass er ausgezogen war und sich eine andere Bleibe gesucht hatte, ohne sich von ihnen zu verabschieden.
Am Tag darauf erhielt Brendan die feste Anstellung bei Browning & Dunham. Und eine halbe Woche später arbeitete er schon für fünfundachtzig Cent Tageslohn in der Gießerei.
Am folgenden Sonntagmorgen, als sie sich auf dem Weg zur Messe in St. Patrick befanden, hatte er eine aufregende Neuigkeit für Éanna und Emily:
»Was haltet ihr beiden davon, wenn wir aus dem Logierhaus ausziehen?«, begann er das Gespräch. »Wir sind nun schon fast zwei Wochen in New York und ich denke, es wird langsam Zeit, aus dieser engen Kammer im Emerald Isle herauszukommen und sich nach etwas Eigenem umzusehen. Außerdem kostet uns das Zimmer auf Dauer einfach zu viel Geld.« Spitzbübisch grinste er die Mädchen an, die verblüfft stehen geblieben waren. »Stellt euch vor, ich habe eine kleine Wohnung für uns gefunden. Wir können sie uns heute noch ansehen, und wenn sie uns zusagt, ziehen wir am Dienstag schon ein!«
Éanna und Emily wussten nicht recht, was sie sagen sollten. »Woher hast du denn eine Wohnung?«, fragte Éanna schließlich erstaunt. »Du hast doch in den letzten Tagen immer bis zum Abend gearbeitet und bist dann gleich zu uns ins Logierhaus gekommen!«
Brendan lachte und sah einen Moment lang aus wie ein Zauberer, dem ein besonders aufsehenerregender Trick geglückt war. »Ich habe da in der Gießerei einen Freund, der mit mir in einer Gruppe arbeitet und wirklich in Ordnung ist. Keiner wie Tom Mahony«, betonte er rasch, als er Éannas skeptischen Blick sah. »Er heißt Liam und ist etwa in meinem Alter, vielleicht auch ein Jahr oder zwei älter. Wir treffen ihn gleich nach der Messe, dann könnt ihr ihn kennenlernen. Na ja und in dem Mietshaus, in dem er zur Untermiete wohnt, wird gerade eine kleine Wohnung frei. Ein Apartment, wie sie hier dazu sagen. Zwei Zimmer. Herd und Ofen sind schon drin und gehören dazu.«
»Und wo liegt diese Wohnung?«, fragte Emily, der Brendans Vorschlag
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