Éanna - Ein neuer Anfang
paradiesischen Kalifornien und Oregon! Als kundigen und verlässlichen Wegbegleiter hat er den erfahrenen Trapper, Fallensteller und früheren Armee-Scout Jeremiah Fennmore verpflichten können.
In einem schmalen Kasten folgten mehrere klein gedruckte Zeilen mit allerlei Informationen und Bedingungen, die zukünftige Teilnehmer des Wagentrecks zu erfüllen hatten.
Éanna war wie elektrisiert. Freies Land! Kalifornien und Oregon! Schnell riss sie die Anzeige aus der Zeitung, um sie später sorgfältig mit der Schere zurechtzuschneiden. Und wann immer sie in den folgenden Tagen eine ruhige Minute hatte, nahm sie das Stück Zeitungspapier heimlich aus ihrer Schürze, studierte die Zeichnung und las den Text so lange, bis sie ihn auswendig kannte.
Sie fieberte dem nächsten freien Sonntag entgegen, an dem sie Brendan in Ruhe von ihrer Entdeckung erzählen konnte.
»Lass uns zu Kelly’s gehen!«, schlug sie ihrem Freund an diesem Tag vor, als sie ihn nach der Arbeit vor dem Haus der Harringtons traf, wo er im Nieselregen bereits unruhig von einem Bein auf das andere trat. »Ein bisschen was können wir uns heute doch leisten, jetzt wo wir endlich nicht mehr jeden Cent zehnmal umdrehen müssen, bevor wir ihn ausgeben. Außerdem möchte ich etwas Wichtiges mit dir besprechen und dabei nicht im Regen stehen.«
»Soll mir recht sein.« Brendan nickte. »Ich möchte dir nämlich auch etwas erzählen.«
»Was denn? Hast du vielleicht endlich eine regelmäßige Arbeit gefunden?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Sozusagen. Aber darüber reden wir gleich, wenn wir bei Kelly’s sind.«
Als sie das Lokal betraten, war Brendan aufgekratzt und so gut gelaunt, wie Éanna ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Sie fanden auf Anhieb einen freien Tisch und wenig später stellte Thomas Kelly eine Kanne Tee, zwei Becher und einen Teller mit schmalzgebackenen Kringeln vor ihnen auf den Tisch.
»Also, dann leg du mal zuerst los!«, forderte Brendan Éanna auf, nachdem ihre Becher gefüllt waren, und biss herzhaft in einen der noch warmen Kringel.
Éanna holte das Zeitungsinserat aus ihrem kleinen bestickten Beutel, den sie sich für einen Vierteldollar von ihrem zweiten Monatslohn gekauft hatte und nun an einer dunkelblauen Kordel um ihr Handgelenk trug. Aufgeregt faltete sie den Zettel auseinander und schob ihn ihrem Freund zu.
»Brendan, das musst du lesen! In diesen neuen Territorien Kalifornien und Oregon gibt es freies Land! Und zwar Millionen Morgen davon! Und im nächsten April bricht ein Siedlertreck unter der Führung von diesem Landvermesser Palmer dorthin auf!«
In Brendans Augen waren erst Überraschung, dann Verwunderung und schließlich Enttäuschung zu lesen, als er die Anzeige überflog.
»Da scheint es ja wirklich jede Menge freies Land zu geben«, stellte er schließlich verdrossen fest. »Aber hast du denn das Kleingedruckte in diesem Kasten nicht gelesen, wo steht, was man diesem Palmer allein für das Zusammenstellen des Trecks und die Führung zahlen muss?«
»Doch«, gab Éanna zu, »pro Kopf zehn Dollar und für Kinder bis zehn die Hälfte. Und man muss auch …«
»Ja, man muss noch verdammt viel mehr Geld zur Verfügung haben, wenn man an seinem Treck teilnehmen will«, unterbrach Brendan sie. »Nämlich eine umfangreiche Ausrüstung und Proviant für fast ein halbes Jahr! Ganz zu schweigen von einem anständigen Präriewagen und dem dazugehörigen Gespann. Mindestens vier Maultiere oder Zugochsen sollen es sein! Und empfohlen werden sogar sechs Ochsen! Weißt du, welche Summe das alles zusammen ergibt?« Er schob das Stück Zeitungspapier wieder auf ihre Seite des Tisches und schüttelte ärgerlich den Kopf. »Proviant für ein halbes Jahr, dazu ein Wagen mit starkem Gespann! Von dem Kopfgeld für diesen Palmer gar nicht zu reden! Und ich weiß ja noch nicht einmal, wo genau dieses Independence eigentlich liegt!«
Éanna war enttäuscht. Sie hatte gedacht, dass Brendan von der Anzeige so begeistert sein würde wie sie, statt sie von vorneherein zu verwerfen.
»Aber es geht doch gar nicht darum, ob wir bis zum nächsten April genug Geld zusammenbekommen, um mitzufahren, sondern …«
Wieder fiel er ihr ins Wort. »Als ob das überhaupt eine Frage wäre. Natürlich bekommen wir das Geld nicht zusammen. Ach Éanna! Du mit deinen absolut unrealistischen Träumen!«
»Ich bin nicht unrealistisch, Brendan!«, verteidigte sie sich und spürte, wie sie ärgerlich wurde. »Es wird ja sicher nicht nur
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