Éanna - Ein neuer Anfang
seinen langen Fahrten die Zeit mit solchen Schnitzarbeiten vertreibt. Die Kamee war also wirklich nicht teuer, darauf gebe ich dir mein Wort! Aber ich wollte sie dir so gerne schenken. Gefällt sie dir denn gar nicht?«
»Natürlich gefällt sie mir! Sehr sogar! Aber das geht wirklich nicht, Patrick!«, wehrte Éanna erneut ab, diesmal jedoch weniger heftig als zuvor.
»Aber natürlich geht das! Es ist doch Weihnachten, Éanna, und ich habe sonst niemanden, dem ich heute eine Freude machen könnte!« Ernst blickte er sie an. »Die Kamee soll dich immer an unsere Heimat erinnern. Bitte nimm sie an! Damit würdest du mir eine viel größere Freude bereiten als ich dir!«
Éanna rang noch eine Weile mit sich, dann gab sie seinem Drängen nach. Die Kamee war einfach zu schön. Und bis Brendan zurück war, wüsste sie sicher auch, wie sie ihm die Herkunft des Schmuckes erklären könnte, ohne dass er gleich eifersüchtig wurde.
Patrick strahlte vor Freude. »Frohe Weihnachten, Éanna!«
»Ja, Euch auch, Patrick«, erwiderte sie bewegt.
Als sie wenig später in Emilys kleinem Zimmer saß, beseitigte die Freundin ihre letzten Zweifel.
»Du hast recht daran getan, die Kamee anzunehmen, Éanna. Wenn Patrick so viel daran liegt, dir diese Freude zu machen, dann wäre es wirklich undankbar und hartherzig von dir gewesen, sein Geschenk zurückzuweisen. Außerdem …« Emily zögerte weiterzusprechen.
»Außerdem was?«
»Außerdem hätte Brendan es wirklich verdient, dass du ihn bei seiner Rückkehr dorthin schickst, wo der Pfeffer wächst! Und Liam kann er dann gleich mitnehmen!«, fuhr Emily grimmig fort. »Nicht eine Zeile haben sie uns bis heute geschrieben! Dabei wissen sie doch genau, dass wir an sie denken und uns Sorgen um sie machen! Wir wissen ja noch nicht einmal, ob sie auch gut in den Eisenbahncamps eingetroffen sind. Wenigstens ihre Adresse und ein paar Zeilen hätten sie uns doch schicken können! Aber nein, nichts lassen sie von sich hören, überhaupt nichts. Wenn Liam zurückkommt, wird er was zu hören bekommen, darauf kannst du Gift nehmen!«
Éanna nickte. »Brendan auch!«
»Ach Éanna, denkst du nicht manchmal daran, wie es dir heute gehen würde, wenn du dich damals auf der Überfahrt nach Amerika nicht wieder mit Brendan versöhnt, sondern stattdessen Mister O’Brien eine Chance gegeben hättest? Ich glaube, ich habe noch nie einen Mann gesehen, der eine Frau so sehr anhimmelt wie er dich. Und das, obwohl du ihn zurückgewiesen hast. Ich bin mir sicher, dass er dich auf Händen tragen würde, wenn du ihn nur ließest.«
Éanna funkelte die Freundin wütend an: »Nein, Emily, darüber denke ich nicht nach. Und ich will jetzt auch nicht weiter mit dir über dieses unsinnige Thema sprechen. Der Mann, der mich auf Händen trägt, wird Brendan sein, nicht Patrick O’Brien!«
Emily schwieg. Sie wusste nicht, ob sie sich für Éanna wünschen sollte, dass sich ihre Worte bewahrheiteten oder nicht.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Die letzten Tage des alten Jahres verstrichen und dann auch die eisigen Wochen des Januars, ohne dass die Mädchen etwas von ihren Freunden hörten. Und längst überwog ihre Furcht davor, dass den beiden in der Fremde etwas zugestoßen sein könnte, den Groll. Auch der Februar kam und ging und noch immer war nicht ein einziges Lebenszeichen von Brendan und Liam eingetroffen.
Doch dann, am ersten Märzsonntag, einem eisigen, windigen Tag, stand Brendan plötzlich in abgerissener Kleidung und etwas muskulöser als früher mit einem breiten Grinsen im Gesicht und weit geöffneten Armen vor Éanna, als sie gerade aus dem Haus kam, um erst Eleanor und dann Emily zu besuchen.
»Brendan?«, fragte sie ungläubig, lief dann mit einem Freudenschrei auf ihn zu und ließ sich von ihm auffangen. »Du bist zurück! Endlich!« All der Ärger und die Sorgen der letzten Wochen waren vergessen, als er sie nun vor dem Anwesen der Harringtons küsste. Und es war ihr in diesem Moment völlig egal, wer sie dabei beobachtete.
Er lachte stolz und drückte sie an sich. »Die müden, aber tapferen Krieger sind heimgekehrt. Wenn du nur wüsstest, wie du mir gefehlt hast!«
Als sie sich Minuten später voneinander lösten, holte er eine prall gefüllte Börse aus seiner Manteltasche und hielt sie ihr entgegen.
»Jetzt rate mal, wie viel Geld ich nach Hause bringe?« Éanna kam gar nicht dazu, eine Antwort zu geben, denn Brendan sprach schon weiter: »Hundertachtzehn Dollar und sechzig Cent!
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