Éanna - Ein neuer Anfang
meine Dankbarkeit und meine Aufmerksamkeit verdient, sondern auch deine, auch wenn du das gar nicht gerne hörst! Ich denke nicht daran, meine Freundschaft mit ihm zu verleugnen, nur weil du einen völlig unbegründeten Groll gegen ihn hegst und aus irgendwelchen schwachsinnigen Gründen glaubst, ich könnte dir untreu werden! Ich sage dir jetzt etwas, Brendan: Wenn ich dir eines Tages untreu werden sollte, dann bist du es selbst und kein anderer, der mich dazu treibt! Und wenn du das nicht endlich begreifst, dann kannst du jetzt aufstehen, deine hundertachtzehn Dollar nehmen und verschwinden! Und zwar für immer. Dann lass dich ja nie wieder in meiner Nähe blicken!«
Brendan war blass geworden und brauchte einige Sekunden, um seine Fassung wiederzugewinnen. »Verdammt noch mal, was regst du dich denn so auf?«, fluchte er, fügte dann jedoch schon wesentlich kleinlauter hinzu: »Man wird doch wohl noch mal fragen dürfen, Éanna.«
»Nein. Diese Fragen habe ich so satt!«, entgegnete sie hart. »Denn du kennst die Antworten darauf längst. Und ich will und werde mir deine Vorwürfe nicht länger anhören. Und das ist mein letztes Wort dazu. Also entscheide dich, wie es mit uns weitergehen soll!«
Brendan schwieg einen Augenblick. Dann sagte er ernst: »Also gut, ich gewöhne mir in Zukunft ab, so von Patrick O’Brien zu sprechen. Aber wenn er mir die wenige Zeit klaut, die ich alle paar Wochen mit dir habe, werde ich sauer. Und das ist mein letztes Wort!«
Éanna fiel ein Stein vom Herzen. »Das wird nicht passieren, Brendan. Denn ich will die wenigen freien Stunden, die ich habe, ja auch nur mit dir verbringen.«
»Dann ist jetzt wieder alles gut zwischen uns?« Er sah sie wie ein kleiner Junge an, der etwas ausgeheckt hatte.
Es rührte ihr das Herz und sie lächelte. »Ja, das ist es.«
»Dann lass uns jetzt zu Emily und Liam gehen. Ich kann wirklich nur hoffen, dass Emily etwas sanftmütiger mit Liam umgegangen ist als du mit mir. Sie war doch bestimmt genauso sauer auf ihn wie du auf mich, weil auch er nicht geschrieben hat!«
»Worauf du dich verlassen kannst. Und ich weiß nicht, wer von euch beiden heute besser davongekommen ist! Ich vermute fast, dass du der Glückliche bist!«
Brendan hob spöttisch die Augenbrauen. »Also mit euch beiden haben wir uns wirklich zwei ganz schön widerspenstige Biester ausgesucht, die einem das Leben nicht gerade leicht machen.«
Éanna legte mit einem zufriedenen Seufzer die Arme um ihren unmöglichen Freund. »Besser hätte ich Liam und dich nicht beschreiben können!«
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Eine Woche später starb Eleanor. Sie schlief einfach abends ein und wachte am nächsten Morgen nicht wieder auf. Éanna erfuhr die traurige Nachricht von ihrem Sohn.
Am Tag der Beerdigung, für die Miss Harrington Éanna ausnahmsweise freigestellt hatte, war es eisig kalt und regnete in Strömen. Außer James Cox und Éanna waren nur zwei von Eleanors früheren Nachbarn und einige alte Frauen gekommen, die Éanna noch nie gesehen hatte und die jedem Begräbnis beizuwohnen schienen, ganz gleich, wer eigentlich gestorben war. Der Sarg bestand aus billigem, dünnem Fichtenholz und der anglikanische Priester hatte es sichtlich eilig, die Zeremonie möglichst rasch hinter sich zu bringen. Als sich die kümmerliche Trauergemeinde aufgelöst hatte, stand Éanna noch eine ganze Weile allein vor dem frisch aufgeschütteten Grab. Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie nahm sich vor, Eleanor an ihren freien Sonntagen weiterhin ab und zu zu besuchen. Sie wusste, dass sie die Freundin, die in diesem Winter so unvermutet in ihr Leben geschneit war, nie vergessen würde.
Eine Woche später, als sie gerade die Betten von Liz und Daphne neu bezog, stand plötzlich Miss Forsyth unvermittelt im Raum. »Komm nach unten in den Salon!«, kommandierte die Haushälterin und fixierte Éanna scharf. »Ein Mister Kenneth Gallagher möchte dich sprechen! Er hat sich als Anwalt vorgestellt!«
»Ich kenne keinen Mister Gallagher!«, entgegnete Éanna, der sofort mulmig zumute war. »Und schon gar keinen Anwalt!«
»Er steht aber unten im Salon und verlangt, dich zu sprechen!«, fauchte Miss Forsyth ungeduldig. »Ich hoffe für dich, dass du nicht irgendetwas angestellt hast, was dich vor Gericht und dieses Haus in Verruf bringt! Denn wenn dem so ist, kannst du noch heute dein Bündel packen. Und jetzt beweg dich gefälligst und hör auf, so zu tun, als wüsstest du nicht, warum dieser
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