EB1021____Creepers - David Morell
nicht gleich antwortete. Er brachte
die Worte kaum heraus. »Meine Frau.«
03:00 Uhr
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»Frau?«, flüsterte Cora ungläubig. Balenger sah zu Todd im
Überwachungsraum hinüber. »Was ich euch erzählt habe, war
die Wahrheit – ich bin kein Polizist.« Er zögerte. »Aber ich war
mal einer.« Todd schüttelte angewidert den Kopf. »Und das
ganze Zeug über den Irak und die Geschichte mit der Kapuze
überm Kopf und den Typ mit dem Säbel?«
»Hat gestimmt. Ich war Ermittler bei der Polizei von Asbury
Park. Meine Frau und ich leben… haben hier gelebt. Sie ist…
war… ich habe Schwierigkeiten mit den Zeiten, wenn ich an
sie denke. Vor zwei Jahren ist sie verschwunden.«
Sie hörten so gebannt zu, dass es im Schlafzimmer trotz des
hämmernden Regens totenstill zu sein schien. »Sie war blond.
Dünn. Wie Amanda. Dreiunddreißig. Aber sie hat jünger aus‐
gesehen – Ende zwanzig. Wie Amanda.« Balenger starrte auf
seine geballten Hände hinunter. »Als Mack die Tür von dem
Tresorraum aufgemacht hat und ich Amanda da drin gesehen
habe – Gott steh mir bei, im ersten Moment habe ich gedacht,
sie wäre Diane. Ich habe gedacht, ich hätte sie endlich gefun‐
den – dass ein Wunder geschehen und meine Frau noch am
Leben wäre.« Balengers Brust schmerzte, als er Amanda an‐
starrte, die ihn so sehr an seine Frau erinnerte. »Diane hat für
eine Grundstücksentwicklungs‐ und Immobilienfirma hier in
der Stadt gearbeitet. Die gleiche Firma, die in zwei Wochen
dieses Hotel abreißen wird. Sie ist oft nach New York gefah‐
ren, um mit den Carlisle‐Treuhändern wegen des Grundstücks
zu verhandeln, auf dem das Hotel steht. Sie haben jedes Mal
nein gesagt. Es ist ein verdammt grausamer Witz, dass sie das
Land irgendwann wegen der Steuern hergeben mussten. Aber
vor zwei Jahren hatten sie es noch unter Kontrolle. Und bei
Dianes letzter Dienstreise nach Manhattan ist sie verschwun‐
den.«
Balenger holte tief Luft. »In New York verschwinden viele
Leute. Ich bin an den Wochenenden hingegangen und habe
der Vermisstenabteilung inoffiziell geholfen. Beinarbeit. Lau‐
ferei. Irgendwann war die Spur so kalt geworden, dass ich der
einzige Mensch war, der überhaupt noch irgendwas getan hat.
Ich hab dauernd um mehr Freizeit gebeten, um nach Diane
suchen zu können, bis mein Boss gesagt hat, es wäre besser,
wenn ich kündige, dann könnte ich mir so viel Zeit dafür
nehmen, wie ich will. Das Geld ist ausgegangen. Dann hat mir
ein Kumpel, der mit mir bei den Rangers war, erzählt, dass
man im Irak schnelles Geld mit dem Bewachen von Konvois
verdienen kann, wenn es einem nichts ausmacht, den Bomben
und den Scharfschützen aus dem Weg zu gehen. Zum Teufel,
zu diesem Zeitpunkt war es mir ziemlich egal, ob ich am Le‐
ben oder tot war. Was mir nicht egal war, waren die zwanzig‐
tausend Dollar, die ich in einem einzigen Monat verdienen
konnte; dann könnte ich weiter rauszufinden versuchen, was
mit meiner Frau passiert war.«
Balenger zwang sich dazu, fortzufahren. »Nach einem Jahr
hatte ich nicht mehr viel Hoffnung, dass sie am Leben war.
Aber ich musste einfach weitermachen. Vielleicht gibt es euch
eine Vorstellung davon, wie verzweifelt ich war, dass ich in
den Irak zurückgekehrt bin. Diane hatte mich nach dem ersten
Mal wieder auf die Beine gebracht. Verdammtes Golfkriegs‐
syndrom. Sie hatte nie genug davon, sich um mich zu küm‐
mern. Es war ihre Idee, dass ich mir meine militärische Erfah‐
rung zu Nutze mache und mich um einen Job bei der Polizei
von Asbury Park bewerbe. Nichts Anspruchsvolles. Bloß eine
Möglichkeit, mir nützlich vorzukommen. Scheiß‐Irak. Ich
hab’s euch erzählt, was beim zweiten Mal dabei rausgekom‐
men ist. Aber mit dem Geld, das ich gekriegt habe, habe ich
mich zum Weitersuchen gezwungen. Ich bin jeder Spur nach‐
gegangen. Jedem Sexualverbrecher, der vielleicht mit ihr in
Kontakt gekommen sein könnte, jedem Straßenräuber, von
dem bekannt war, dass er in den Gegenden arbeitet, durch die
sie fahren musste. Ich hab alles zwei‐, dreimal überprüft. Am
Ende hatte ich nichts weiter außer einem Gefühl, das ich von
Anfang an gehabt hatte, aber nicht beweisen konnte – dass
Dianes Verschwinden irgendwas mit den Verhandlungen um
das Hotel zu tun hatte. Nein, genau genommen nicht den Ver‐
handlungen, sondern mit dem Hotel selbst. Ich habe um Er‐
laubnis gebeten, es mir von innen anzusehen, aber die
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