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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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vielleicht nicht das Bedürfnis gehabt, sich ausgerechnet im Auto wieder zu versöhnen. Wenn er nicht abgelenkt gewesen wäre, hätte er das andere Auto rechtzeitig gesehen. Wenn er nicht so viel gearbeitet hätte, wären sie bereits am Abend vorher gefahren, als die Straßen nicht so voll waren.
    Wenn, wenn, wenn.
    In seiner Fantasie gab es tausende Möglichkeiten, wie sich ein ganzer Tag vollkommen anders entwickelte, wenn man nur eine einzige Minute veränderte, vielleicht sogar nur eine Sekunde. Aber die Realität ließ sich nicht zurückdrehen und bearbeiten wie ein selbstgedrehtes Video. Sie blieb immer gleich, so sehr man sich auch etwas anderes wünschte.
     
    Sie verbrachten das Wochenende in einem Hotel in San Francisco. Carol lag neben ihm im Bett, ausgebreitet in träger Morgenschläfrigkeit, offen für alles, wie ihm schien. Sie sah hinreißend schön und begehrenswert aus mit ihren verstrubbelten kurzen Haaren und ihren verschlafenen Augen. Für einen Moment fühlte er sich vollkommen glücklich.
    Carol drehte sich ihm zu, bereit, ihn zu empfangen. Er ließ eine Hand zärtlich über ihren nackten Arm gleiten.
    Sie lächelte. »Meinst du nicht auch, dass wir mal über unsere Zukunft nachdenken sollten?«, fragte sie.
    »Über welchen Teil unserer Zukunft möchtest du denn nachdenken?« Er grinste verschmitzt, erregt von ihrer Schönheit. »Über das Frühstück? Oder über das, was vor dem Frühstück geschieht?«
    »Ich dachte mehr an eine fernere Zukunft. Ich dachte an … Kinder.«
    »Kinder?« Überrascht unterbrach er seine Zärtlichkeiten und runzelte die Stirn. »Hast du die Pille etwa abgesetzt?«
    »Wenn es so wäre, was würdest du dazu sagen?«
    Arthur lachte leise. »Ich würde sagen, das wäre großartig.« Sein Herz war voller Liebe. »Dann ziehen wir gemeinsam nach Singapur und werden eine richtige Familie.« Er küsste sie.
    Jetzt war es an Carol, die Stirn zu runzeln. Als Arthur seine Hand unter ihr Nachthemd schob, entzog sie sich ihm sanft.
    »Singapur?« Ihre Stimme klang gar nicht mehr so sanft wie eben noch.
    »Ja«, murmelte er und zog sie wieder an sich. Er hörte kaum, was sie sagte, für ihn war jetzt etwas ganz anderes wichtig. »Ich hatte dir doch erzählt, dass ich mich dort beworben habe.« Seine Stimme wurde undeutlich, als er ihr Nachthemd hochschob und ihre Brüste liebkoste.
    Carol schob ihn erneut fort. »Hast du eine Zusage erhalten?«
    »Ja.«
    »Und hast du selbst auch schon zugesagt?«
    »Ja.« Seufzend rollte Arthur sich auf den Rücken. Er fand es ausgesprochen lästig, gerade jetzt eine Unterhaltungen führen zu müssen.
    Carol kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Warum hast du mir das nicht gesagt? Das ist ein ziemlich ungünstiges Timing. Ich bin nämlich ab dem neuen Jahr wieder in New York.«
    Carol war Architektin und mit internationalen Großprojekten in der ganzen Welt betraut. Zurzeit betreute sie den Bau eines Büroturms in Singapur. Der Hauptsitz ihrer Firma war jedoch in New York, wo Arthur arbeitete.
    Entgeistert starrte er Carol an. »Wieso New York? Du wusstest doch, dass ich nach Singapur will. Ich rede seit Wochen von nichts anderem.«
    »Und du wusstest, dass meine Arbeit dort im Winter beendet ist.«
    »Carol«, sagte er, um einen geduldigen Tonfall bemüht. »Wir haben das doch alles durchgesprochen. Dieser Job ist für mich eine riesige Chance. Wenn ich das drei, vier Jahre mache, verdiene ich so viel, dass ich vermutlich den Rest meines Lebens nie wieder arbeiten muss. Drei Jahre«, wiederholte er nachdrücklich, »dann können wir hingehen, wo immer du hin willst und machen, wozu wir Lust haben.«
    Carol zuckte mit den Schultern und setzte eine gleichgültige Miene auf. »Ich kann mir das auch nicht aussuchen. Dann tauschen wir jetzt halt – ich bin in New York und du in Singapur. Die drei Jahre stehen wir auch noch durch.«
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    Arthur widmete sich wieder Carols Körper. Aber etwas stimmte nicht mehr. Das Gefühl vollkommenen Glücks, das er eben noch verspürt hatte, war zerplatzt und einer lähmenden Enttäuschung gewichen. Er hatte es satt, ständig von Carol getrennt zu sein.
    »Ich hätte dich so gerne immer bei mir«, sagte er leise und vergrub sein Gesicht zwischen ihren Brüsten. »Jeden Tag, und vor allem jede Nacht.« Er nahm ihren vertrauten Duft auf, der ihn nach all den Jahren immer noch erregte.
    Manchmal, wenn er wochenlang alleine war, glaubte er, sein Verlangen nicht aushalten zu können,

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