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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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und verließen in nördlicher Richtung die Stadt. Die meisten Autos fuhren auf der entgegengesetzten Seite nach Hamburg hinein, so dass Arthur bald freie Fahrt hatte. Je weiter sie nach Norden kamen, desto dünner besiedelt war die Landschaft. Weite Ebenen, von Baumreihen und kleinen Wäldchen durchbrochen, flogen an ihnen vorbei, während der Mercedes leise und verlässlich über die A7 brauste. Es war ein schöner Tag. Die Sonne löste die Nebelfelder auf den Wiesen auf, ein leichter Wind blies Schönwetterwölkchen am Himmel vor sich her, der nirgendwo so hoch und blau wie hier im Norden war.
    Arthur erzählte Mia, dass er eine kleine Färberei besuchen wollte, mit der Elbzeug zusammenarbeitete. »Ich mache mir gerne vor Ort ein Bild von den Leuten und den Produktionsbedingungen«, erklärte er.
    »So ganz kapiere ich das noch nicht«, sagte Mia. »Wie kommt ein Investmentbanker dazu, sich plötzlich für Ökokleidung zu interessieren?«
    Arthur richtete seinen Blick fest auf die Straße. »Rein zufällig. Man lernt ein paar interessante Menschen kennen, ist fasziniert von ihrer Begeisterung – und schon entstehen Kooperationen. Ich mag es, wenn Leute für ihre Überzeugungen eintreten.«
    »Aber du verdienst doch damit nicht mal die Hälfte von dem, was du früher verdient hast – nehme ich jedenfalls an.«
    »Im Moment verdiene ich mit der Firma genau genommen überhaupt noch nichts. Ich hoffe aber, dass sich das irgendwann ändert.«
    Arthur hatte heute seinen Anzug gegen Jeans und ein schwarzes Hemd getauscht, das er lässig über der Hose trug. Offenbar wollte er den Unternehmensberater bei der kleinen Ökofirma nicht zu sehr heraushängen lassen. Auch Mia hatte sich für Jeans und Turnschuhe entschieden, schließlich war sie nicht geschäftlich unterwegs, sondern machte lediglich einen Ausflug. Es gefiel ihr, dass sie und Arthur eine ähnliche Kleiderwahl getroffen hatten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
    »Wenn etwas Erfolg versprechend ist, interessiert mich nicht, wie groß mein eigener Profit dabei ist«, erklärte Arthur. »Wichtiger ist, dass die Sache gut läuft. Aber natürlich bin ich kein Traumtänzer, ich will wenigstens meine Investitionen am Ende wieder reinkriegen. Geld verdiene ich mit anderen Projekten. Man muss sich Wohltätigkeit schließlich leisten können.«
    Mia nickte zufrieden. Das klang schon viel eher nach dem Arthur, den sie kannte. Obwohl sie es eigentlich sympathischer gefunden hätte, wenn er sich doch als Traumtänzer entpuppt hätte, der aus reinem Idealismus handelte.
     
    Arthur nahm sie zu ihrer Verwunderung mit zur Besichtigung der Färberei, die in einem ehemaligen Bauernhof am Rande eines kleinen Dorfes in der Nähe der Ostsee lag, und stellte Mia ganz selbstverständlich als freie Mitarbeiterin von Elbzeug vor. Es gefiel ihr, wie er mit dem Inhaber sprach, einem korpulenten Mann mit unordentlichen Haaren, Vollbart und zerknautschtem Fischerhemd. Arthur war aufmerksam, neugierig und verbindlich. Der Färber verlor spürbar seine anfängliche Befangenheit und gab bereitwillig nicht nur über seine Arbeit, sondern auch seine finanzielle Situation Auskunft. Fast beiläufig machte Arthur einige Verbesserungsvorschläge, die der Mann bereitwillig aufgriff und gleich weiter spann.
    Mittags gingen sie in einem verschlafenen, heruntergekommenen Landgasthof essen. Obwohl sie die einzigen Gäste waren, mussten sie ewig auf ihr Essen warten. Arthur beäugte misstrauisch sein Schnitzel mit Kartoffelsalat und ließ die Hälfte stehen. Auch Mia kaute mit wenig Begeisterung auf ihrem viel zu trockenen Seelachs herum.
    Nach dem Essen fuhren sie zum Strand. Die Fahrt ging über holperige Landstraßen, durch idyllische Dörfer, bis Mia das Gefühl hatte, am Ende der Welt gelandet zu sein. In einem völlig verschlafenen Nest hielt Arthur an. Sie gingen einen schmalen, halb zugewachsenen Pfad entlang, und auf einmal standen sie am Rand einer Steilküste, unter der sich die Ostsee ausbreitete.
    Schweigend schauten sie auf das blassgraue Wasser hinab, das in der Sonne funkelte. Mia war sich Arthurs Nähe bewusst, er stand so dicht neben ihr, dass sich ihre Arme fast berührten. Als sie ihm den Kopf zudrehte, fuhr der Wind in ihr offenes Haar und wehte ihr eine dicke Strähne über das Gesicht. Arthur hob eine Hand, als wolle er ihr die Haare aus dem Gesicht streichen. Er hielt jedoch in seiner Bewegung inne und zeigte stattdessen auf einen verlassen wirkenden Anleger unten am

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