Echo der Angst - Eden, C: Echo der Angst
Sprechmuschel. Hinter ihr im Büro des Sheriffs ging es hektisch zu. »Ich rufe wegen Ihrer Tochter Samantha an.«
Ein leises Summen in der Leitung, dann hörte sie eine Stimme: »Monica? Ach ja, Samanthas Freundin. Sie arbeiten zusammen.« Die Stimme klang sehr distinguiert. Sams Eltern waren begütert, alter Geldadel. Wobei Sam dieses Geld nie anzurühren schien. Wieso war Sam zum FBI gegangen? Monica hatte keine Wahl gehabt – sobald sich die Monster in ihr breitgemacht hatten, war sie sie nie mehr losgeworden. Aber Sam? Warum hatte sie die Glitzerwelt gegen nervenaufreibende Arbeit eingetauscht?
War sie zum FBI gegangen, um Leben zu retten? Nur um ihres jetzt zu verlieren?
Monica schluckte. »Mrs Kennedy, die Frage wird Ihnen jetzt vielleicht komisch vorkommen, aber ich muss unbedingt wissen, ob Sam mal in einen Unfall verwickelt war.«
»Bitte?«
»Hat sie Phobien?«
Bitte sagen Sie jetzt nein , dachte Monica. Sagen Sie mir, dass Sam völlig normal ist. Nein, mehr als nur normal. Dass sie sich vor nichts fürchtet.
»Samantha mag Wasser nicht.«
Monicas Herz raste. »Inwiefern?«, fragte sie so unbeteiligt wie möglich.
Stille. Dann fragte die Stimme: »Warum rufen Sie an, Ms Davenport?« Sie klang jetzt nicht mehr warm, sondern sehr reserviert. »Wo ist Samantha?«
Monica sah zu Luke hinüber. Er hatte ein Foto Sams an die Pinnwand geheftet. Direkt neben das blutüberströmte Gesicht Patricia Moffetts und das bleiche von Laura Billings.
»Bitte sagen Sie mir, warum sie Wasser nicht mag.« Als Erstes brauchte sie die Information. Eltern brachen zusammen, wenn sie hörten, was ihrem Kind zugestoßen war.
Die Frau am anderen Ende der Leitung schnappte nach Luft. »Ist meiner Kleinen etwas passiert?«
Keine Lügen. Nicht, wenn es um eine Kollegin ging. »Sie wird vermisst. Wir arbeiten an einem Fall, und … sie wird vermisst.«
Manche Leute glaubten, Schmerz könne man nicht hören, aber das stimmte nicht. Monica konnte ihn deutlich aus der Stille am anderen Ende der Leitung heraushören. Sie räusperte sich. »Es ist wichtig. Ich muss wissen, warum sie sich vor Wasser fürchtet.«
»Si… sie war … acht. In unserer Hütte. S… Sommerurlaub … «
Reden Sie weiter , flehte Monica innerlich. Der Kummer war fast schon mit Händen zu greifen. Bewahren Sie nur noch ein paar Sekunden die Fassung. Ein Streifenwagen war auf dem Weg zum Haus der Kennedys. Hyde hatte darauf bestanden, das Haus bewachen zu lassen, weil er die weitere Vorgehensweise des Killers nicht einschätzen konnte.
Monica wusste, dass die Familie nicht in Gefahr war, aber sie wollte nicht, dass die Mutter allein blieb. Nicht mit solchem Kummer.
»Sie lief auf den Anlegesteg. Das Holz war morsch, und eine Planke brach durch.« Sie begann zu schluchzen. »Wir konnten sie nicht herausziehen. Meine Kleine … meine Kleine hat nicht mehr geatmet, als wir sie endlich aus dem Wasser bergen konnten.«
Dunkel. Wasser. Überall. Keine Luft mehr. Kein Licht.
Wovor hast du Angst?
Monica schluckte erneut, hatte einen Kloß im Hals. »Ist Sam je sonst noch etwas zugestoßen? Autounfälle? Irgendetwas sonst … «
»Nur … das Wasser. Sie geht seither nicht mehr schwimmen … «
Eine Klingel ertönte im Hintergrund.
»Da … da ist jemand.« Sie klang verstört, ihre Stimme tonlos.
»Das dürfte die Polizei sein. Der Beamte wird Ihnen alles erklären.«
Was genau? , dachte sie bei sich. Dass ein Irrer ihre Tochter entführt hatte?
»F… finden Sie Sam … «
»Das werde ich.« Aber würde sie sie lebend finden?
Halt durch, Sam , dachte sie.
Monica legte auf. Luke stand vor ihr. »Alles klar?«
»Mir geht’s gut.« Sie würde nicht die Beherrschung verlieren.
Er kam näher. »Du siehst aus, als würdest du gleich zusammenbrechen.« Er strich über ihren Arm, und sie genoss die Wärme seiner Berührung.
Einen Augenblick lang hätte sie sich am liebsten an ihn gelehnt und sich ein wenig von seiner Kraft geborgt. Sich in diese verlockende Wärme gekuschelt.
Ihr war immer kalt. Kalt wie die Leichname, die sie viel zu oft fand. Eisig.
Wenn sie sich einfach ein paar Sekunden an Luke lehnen und sich seiner Wärme bedienen könnte … doch dann würde sie schwach werden. Das Eis würde schmelzen, wegbrechen, und er würde sehen, wie schwach sie unter ihrer rauen Schale war. Schwach und ängstlich.
Sie ließ den Blick schweifen. Wenn sie jetzt zusammenbrach, würden es alle mitbekommen.
Nein, sie würde keine Schwäche
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