Echo der Angst - Eden, C: Echo der Angst
Steg. Sie spürte, wie sich die Balken unter ihr leicht bewegten.
»Hast du geglaubt, du wärest die Einzige, die das Leben eines Menschen von A bis Z analysieren kann? Mit einem Computer kann man heute ja so viel machen. Man muss nur wissen, wo man suchen muss, schon erfährt man alles.«
Das Plätschern des Wassers war jetzt ganz nah.
»Ich weiß, dass dein Vater deine Mutter dauernd betrog. Ich weiß, dass sie es nur aushielt, indem sie sich Tag und Nacht betrunken hat.«
Nein, ihre Mutter trank nicht. Nicht mehr. Nicht, seit …
»Über dich, arme kleine Samantha, weiß ich auch alles. Du warst so oft allein. Auch an dem Tag, an dem du fielst.«
Lieber Gott, bitte … , dachte sie.
»Niemand hat dich schreien hören.«
Jetzt schrie sie, so laut sie konnte. Der Sack konnte sie nicht bremsen; dafür saß er zu locker um ihren Kopf. Sie konnte …
»Außer mir kann dich hier niemand hören, und mir ist es scheißegal.« Er warf sie auf den Steg, packte ihre Arme und wand einen weiteren Strick um ihre Handgelenke. Genug! Samantha versuchte, nach ihm zu treten. Es war, als bohrten sich tausend Nadeln in ihre Füße und wanderten dann ihre Beine hinauf. Das Gefühl kam zurück, und es tat verdammt weh.
Ihre Füße stießen gegen etwas. Nicht gegen ihn. Gegen etwas Hartes, Schweres, das ihre nackten Füße vibrieren ließ.
Sein Lachen erfüllte ihre Ohren, und ihr Herz begann zu rasen. Sam schüttelte den Kopf, versuchte, den Sack loszuwerden. »Was tun Sie? Was zum … «
Platsch . Sie warf sich nach vorn und dann schwungvoll nach rechts. Was zur Hölle … ?
Auf ihren Armen hatte sich Gänsehaut gebildet. »Ich habe Ihnen nichts getan!« Sie schrie erneut. Platsch . »Wieso tun Sie … «
»Weil ich es kann.« Platsch . »Weißt du was? Du bist als Nächste dran … «
Er packte sie und drehte sie um. Nein, nicht er zog sie, das war etwas anderes. Das Seil, mit dem er sie gerade festgebunden hatte, zog sie …
Sam fiel ins Wasser. Sie prallte hart auf die Wasseroberfläche und sank schnell, weil etwas an ihr zerrte, sie auf den Grund des Sees zog.
Der Sack löste sich und stieg zur Oberfläche des trüben Gewässers auf. Luftblasen glitten an ihrem Gesicht vorbei, denn sie schrie noch immer. Sie schluckte Wasser und bekam keine Luft mehr.
Es gelang ihr nicht, sich zu befreien. Das Seil ließ sich nicht lösen, und das andere Ende war mit Steinen beschwert. Sahen aus wie Betonschalsteine. Das war es, was sie hatte platschen hören.
Die Steine rissen sie nach unten, zum sandigen Grund. Fischfutter …
Tiefer.
Oh Gott! Ihre Lunge brannte. Das Wasser schmerzte ihr in den Augen, drang in ihre Nase, lief ihre Kehle hinab.
Hilfe!
***
»Sheriffbüro Gatlin County«, meldete sich eine Bassstimme am anderen Ende der Leitung.
Monica holte tief Luft. »Hier spricht Monica Davenport, FBI . Ich würde gern Sheriff Martin sprechen, und zwar sofort.«
»Tut mir leid, Ma’am … äh … Agent, aber Sheriff Martin ist heute nicht im Büro.«
»Mit wem spreche ich?«, verlangte Monica zu wissen.
»Peter Fillerman. Deputy Peter Fillerman.«
»Hören Sie zu, Deputy. In ein paar Sekunden wird ein Fax von mir bei Ihnen eintreffen. Es handelt sich um einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus von May Walker. Ich will, dass Sie ihn sofort ausführen.« Sie brauchte die Papiere. Wenn sie die Handschriften vergleichen konnte und sich herausstellte, dass sie übereinstimmten … dann hatte sie ihn.
»M… May Walkers Haus?«
»Sie hat Papiere da rumliegen, die zum Teil uralt sind. Ich brauche … «
»Ma’am, bei May werde ich nichts finden.«
Immer mehr Deputys drängten in den Raum. Monica drehte sich weg und legte die Hand aufs linke Ohr, um ihre Stimmen auszublenden. »Warum nicht? Der Durchsuchungsbeschluss ist von einem Richter unterschrieben, es gibt also keinen Grund, warum Sie ihn nicht ausführen sollten.«
»In Mays Haus gibt es nichts mehr zu durchsuchen. Da hat es letzte Nacht gebrannt.«
Monica packte den Telefonhörer fester.
»Ich lag dem Sheriff schon seit Monaten in den Ohren, dass das Haus beim kleinsten Funken in Flammen aufgehen wird, aber ich konnte ihn einfach nicht dazu bringen, es sich mal anzuschauen.«
»Was ist mit May?«
»Konnte sich nicht mehr retten.«
Monica schloss die Augen. Was für ein furchtbarer Tod .
»Eine Tragödie. May hatte keine direkten Nachbarn, und bis jemand mitbekam, was los war, war es zu spät.«
May Walker war tot. Ein weiteres Opfer. Monica schluckte
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