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Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Titel: Echo des Blutes: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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war Christa-Marie als neunjähriges Kind zu sehen. Neben ihr an der Wand lehnte ein Cello, das fast doppelt so groß war wie sie.
    In der nächsten Stunde sah Byrne sich alle bei YouTube angebotenen Videos an. Viele bestanden aus Collagen, die Fans zusammengefügt hatten, doch es waren auch Konzertauftritte dabei. Auf dem letzten Video hielt Christa-Marie sich mit einem Pianisten in einem Studio auf. Sie spielten Beethovens Klaviersonate Nr. 3 in C-Dur. Etwa in der Mitte des Stückes wurde eine Nahaufnahme von Christa-Marie gezeigt, als sie den Kopf hob und direkt in die Kamera und in Byrnes Augen schaute.
    Nachdem Byrne sich das Video zu Ende angesehen hatte, ging er in die Küche, nahm zwei Aspirin und spülte sie mit einem Schluck Wild Turkey hinunter. Das war nicht die vorgeschriebene Methode, aber jeder machte es so, wie es am besten funktionierte, oder?
    Byrne blickte durchs Fenster auf die menschenleere Straße unten. In der Ferne sah er die Lichter von Center City. Irgendwo da draußen lag noch eine Leiche, die darauf wartete, entdeckt zu werden, eine rasierte Leiche mit aufgerissener Haut und einem blutigen Papierstreifen um den Kopf.
    Er schaute auf die Küchenuhr, obwohl er wusste, wie spät es war.
    2.52 Uhr.
    Byrne nahm seinen Mantel und die Schlüssel und trat hinaus in die Nacht.

45.
    Lucy saß auf der Feuerleiter. Sie hatte sich ihre dunkelblaue gehäkelte Decke um die Schultern geschlungen. Diese Decke gehörte zu den wenigen Dingen, die sie noch aus ihrer Kindheit besaß. Sie konnte sie in einen Nylon-Matchbeutel stecken und mitnehmen, wenn sie mal wieder umzog. In den letzten zwei Jahren war Lucy so oft umgezogen, dass sie aufgehört hatte zu zählen.
    Sie schaute zum Fenster. In diesem Zimmer im zweiten Stock eines Reihenhauses in der Vierten Straße wohnte sie seit zwei Monaten. Die Familie war sehr nett. Ein älteres Ehepaar ohne Kinder, das sie sofort wie eine Enkeltochter behandelt hatte. In den ersten zwei Wochen wurde sie jeden Abend zum Essen eingeladen. Da Lucy keine Erfahrung mit Familienleben hatte, erfand sie tausend Ausreden, bis das Paar – Tilly und Oscar Walters – den Wink verstand.
    Es war eine ruhige Nacht mit einem wolkenlosen Himmel, und zum ersten Mal seit langer Zeit sah sie ein paar Sterne. Vielleicht waren sie immer da gewesen und sie hatte nur vergessen hinzusehen. Vielleicht hatte die Dunkelheit sich in ihrer Seele eingenistet und weigerte sich nun, zu gehen und sie in Ruhe zu lassen.
    Lucy schlang die Decke enger um ihren Körper, obwohl sie gar nicht richtig fror. Sie erinnerte sich an all die Jahre in zugigen Wohnungen, an all die Jahre, in denen die Heizung abgestellt worden war und sie im Winter vor einem Elektroofen kauerte, bis auch der Strom abgeschaltet wurde.
    Seit dem Tag, als das Flugzeug vom Himmel fiel, hatte sie alles versucht, um diese Gefühle zu vertreiben. Drogen, Alkohol, Männer, Religion, Yoga, jedwede Art von Selbstzerstörung und Missbrauch. Männer . Die Männer, die sie auswählte – im Grunde waren es Jungen –, füllten oft nur die kleinen Lücken im Missbrauch und machten ihre Hölle komplett.
    Und jetzt steckte sie in Schwierigkeiten. Lucy hatte immer gewusst, dass sie eines Tages beim Ladendiebstahl erwischt werden würde, obwohl sie wirklich gut war. Ihre Mutter schickte sie schon als Dreijährige in die Geschäfte. In den ersten Jahren ging es nur darum, ein paar Faxen zu machen, um die Ladeninhaber abzulenken, während ihre Mutter Zigaretten, Alkohol und ab und zu etwas Leckeres für Lucy klaute.
    Aber heute war sie erwischt worden, und jetzt musste sie ins Gefängnis. Auch wenn Detective Byrne ihr versichert hatte, dass das nicht geschehen würde, glaubte sie ihm nicht so recht. Sie hätte ihm gerne von dem Mann in Zimmer 1208 erzählt, aber aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht dazu durchringen.
    Und als sie nun auf der verrosteten Feuerleiter saß, begann sie zu weinen. Das erste Mal seit Jahren. Lucy schmeckte das Salz auf ihren Lippen. Sie fühlte sich jämmerlich.
    Das Mädchen, das ermordet worden war, hatte Schlimmeres erlebt. Die kleine Stacy Pennell. Sergio hatte ihr alles erzählt.
    1999 hatte sich ein zehnjähriges Mädchen, das mit seiner Familie im Le Jardin wohnte, als es noch ein Wohnhaus war, mit ihrer älteren Schwester Cyndy unten im Wasch-und Trockenraum aufgehalten. Offenbar konnte niemand Cyndy, die auf ihre kleine Schwester aufpassen sollte, einen Vorwurf machen. Als Cyndy zwei Minuten nicht achtgab, nahm

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