Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Nachrichtensenders flog über sie hinweg. Jessica fragte sich, was für ein grotesker Anblick sich den Reportern wohl von oben bot.
»Was ist mit dem Fahrzeug? Konnten sie irgendetwas erkennen?«
Nicci schüttelte wieder den Kopf. »Die ganze Sache hat sie so mitgenommen, dass sie nicht auf Details geachtet haben. Wir sind froh, dass sie so geistesgegenwärtig waren, uns sofort anzurufen.«
Jessica sah zu den beiden Straßenecken. Sie konnte keine Überwachungskameras entdecken. In dieser Gegend war die Verbrechensquote nicht hoch und gab es auch keine große Drogenszene. Sie schaute auf die Mauern der Kirche. Auch dort sah sie keine Überwachungskameras.
Als Jessica den Friedhof betrat und auf die Leiche zuging, erkannte sie die mittlerweile vertraute Signatur des Killers. Das Opfer war ein Weißer mittleren Alters, nackt, von Kopf bis Fuß rasiert und mit einem Streifen Papier um den Kopf. Der linke Fuß lag auf einem niedrigen Grabstein. Jessica ging zu der Grabstelle, richtete ihre Taschenlampe auf den Leichnam und sah den spitzen Knochen über dem linken Knie herausragen. Ihr fielen die Zeilen aus dem Gedicht Totentanz wieder ein.
Klipp-klapp, alle hüpfen umher,
man hört das Klappern der tanzenden Skelette.
Jessica beugte sich hinunter und schob das linke Bein des Opfers wenige Zentimeter zur Seite. Dann richtete sie die Taschenlampe auf den Grabstein. Dort stand:
O THEOS NA TIN ANAPAFSI
In dem Grab ruhte Melina Laskaris.
Jessica beleuchtete die rechte Hand des Opfers. Sie lag geöffnet auf dem Boden. Auf dem Ringfinger klebte das kleine Tattoo eines Esels – das siebte Tier. Das bedeutete, dass noch eines fehlte.
Ehe Jessica Nicci Malone daran hindern konnte – und im Grunde hatte sie es auch gar nicht vor –, kniete diese sich auf den Boden und zog den blutbefleckten weißen Papierstreifen vom Kopf des Toten. Jessica schaute in das Gesicht des Opfers. Das Dreieck war komplett.
In dem Grab lag Lina Laskaris.
Ihr Mörder war Eduardo Robles.
Der Komplize, die Harmonie in dieser Horrorshow – der Leichnam mit den gebrochenen Knochen, der auf diesem verfallenen Friedhof ausgestreckt auf einem Grab lag –, war Detective Dennis Stansfield.
82.
Er stand im Schatten, nur einen Block vom Le Jardin entfernt. Ringsum hörte er die vertrauten Geräusche seiner Stadt, und ein paar Straßen weiter standen die Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht. Er spürte die Hand auf seinem Arm.
»Kevin.«
Das Mondlicht hüllte Christa-Maries zarte Gestalt in ein geheimnisvolles Licht. Sie hob eine Hand und strich mit ihrem warmen Finger über die Falten in Byrnes Gesicht. Mit verträumter Miene schlang sie eine Hand um seinen Nacken, beugte sich vor und küsste ihn, zuerst zärtlich, doch dann mit wachsender Leidenschaft.
Kurz darauf lehnte sie sich wieder zurück und schaute ihm in die Augen.
»Es ist Zeit, nicht wahr?«, sagte sie.
»Ja«, sagte Byrne. »Bist du bereit?«
»Ja.« Sie nahm seine Hand. »Bring mich nach Hause.«
83.
»Jess?«
Es war Russell Diaz. In dem Viertel wimmelte es von Polizisten. Anwohner strömten aus ihren Häusern. Der Hubschrauber flog Schleifen und schwebte dann eine Weile über ihren Köpfen. Jessica drehte sich um. David Albrecht war noch nicht wieder aufgetaucht.
»Haben Sie eine Minute?«, fragte Diaz.
Hatte sie nicht. Aber sie hatte gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde, und sie wusste auch, um was es ging. »Klar.«
Diaz warf seinen beiden Kollegen einen Blick zu. »Lasst uns bitte kurz allein.«
Die beiden Officer traten ein paar Schritte zur Seite und lehnten sich gegen Jessicas Wagen.
»Sie wissen, was ich Sie fragen muss, nicht wahr?«, sagte er leise, als die beiden außer Hörweite waren.
Jessica schwieg. Es war eine rhetorische Frage. Diaz kam gleich auf den Punkt. Für Nettigkeiten fehlte ihm die Zeit.
»Ich muss mit Kevin sprechen«, sagte er. »Hat er sich bei Ihnen gemeldet?«
»Am frühen Abend, aber dann hab ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Wann ungefähr?«
Jessica dachte kurz nach. Diaz erwartete eine präzise Antwort. Es war ein offizielles Gespräch. »Vielleicht so vor einer Stunde.«
»Hat er Sie angerufen?«
»Ja.«
»Hat er erwähnt, wohin er wollte?«
Jetzt musste Jessica höllisch aufpassen. Byrne hatte nichts Konkretes gesagt. »Nein.«
»Fährt er noch immer diesen Van?«
»Das weiß ich nicht.«
Diaz warf kurz einen Blick auf die Menschenmenge.
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Sie gingen zu dem
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