Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
weitergegeben. Und, wie man beim Militär sagte, Scheiße floss nun mal nicht bergauf.
Dana Westbrook musste vom ersten Tag an eine Menge einstecken.
Wenn während der Tagschicht von acht bis vier Uhr ein Notruf hereinkam, wurden die Informationen in der Telefonzentrale entgegengenommen und an den diensthabenden Schichtleiter weitergeleitet. Es war seine Aufgabe, Ermittlungen einzuleiten und alle Bemühungen, den Mörder zu schnappen, in den ersten entscheidenden Stunden zu koordinieren. Dazu gehörte es auch, Männern, von denen einige schon seit über zwanzig Jahren bei der Mordkommission arbeiteten und die alle ihre eigene Arbeitsweise und ihren eigenen Rhythmus hatten, zu sagen, wohin sie gehen, mit wem sie sprechen und wann sie zurückkommen sollten. Dana Westbrook musste auch deren Ermittlungsarbeit beurteilen und sie manchmal auf den Teppich zurückholen.
Für die Männer der Mordkommission, die sich für Auserwählte hielten, war es mitunter nicht einfach, sich von anderen etwas sagen zu lassen. Und dann auch noch von einer Frau? Das war eine bittere Pille.
Westbrook setzte sich neben Jessica, schlug eine neue Akte auf und drückte auf die Mine ihres Kugelschreibers. Jessica gab ihr die Informationen, die bisher vorlagen, und begann ihren Bericht mit dem anonymen Anruf bei der Polizei. Westbrook machte sich Notizen.
»Gibt es Spuren eines gewaltsamen Eindringens in das Gebäude?«, fragte Westbrook.
»Schwer zu sagen. Dort wurde mit Sicherheit schon häufiger eingebrochen, aber am Türpfosten sind keine frischen Absplitterungen.«
»Was ist mit Fahrzeugen, die in der Nähe des Tatortes geparkt hatten?«
Jessica bemerkte zum ersten Mal, dass Dana Westbrook außer den schlichten Ohrringen, die sie trug, vier Piercinglöcher im rechten Ohr hatte, in denen keine Ringe steckten. »Wir überprüfen die Kennzeichen aller Fahrzeuge im Umkreis von zwei Blocks und ebenfalls die der Fahrzeuge, die auf dem Parkplatz der Schule standen. Die Fahrzeughalter werden auf Vorstrafen und Haftbefehle gecheckt. Bis jetzt noch nichts.«
Westbrook nickte und machte sich eine Notiz.
»Wir können auch einen Blick auf das Filmmaterial unseres angehenden Oscar-Gewinners werfen. Ich habe gesehen, dass Albrecht die Schaulustigen auf der gegenüberliegenden Straßenseite gefilmt hat.«
»Gute Idee«, meinte Westbrook.
Manchmal kehrten Verbrecher, vor allem Mörder, an den Tatort zurück. Die Polizei rechnete stets damit, dass die gesuchte Person sich unter die Menge mischte, die sich an einem Tatort oder bei einem Begräbnis versammelte.
»Apropos Albrecht … Darf er uns überallhin folgen?«, fragte Jessica.
»Natürlich nur innerhalb eines vertretbaren Rahmens«, erwiderte Westbrook. »Die Rechtsmedizin oder ein Krankenhaus darf er nicht betreten.«
»Und warum tun wir das überhaupt?«
»Er ist der Sohn des Cousins der Frau des Stellvertretenden Commissioner. Oder so ähnlich. Er hat jedenfalls gute Beziehungen. Der Deputy Commissioner hat an der Penn State studiert, wissen Sie.«
»Darf Albrecht einen Tatort filmen?«
»Nun, soviel ich weiß, schaut der oberste Boss sich den Rohschnitt des Films an und gibt erst dann seine endgültige Zustimmung. Wenn irgendetwas eine laufende Ermittlung gefährdet oder die Würde eines Opfers oder die der Familie eines Opfers verletzt, wird es nicht veröffentlicht. Darauf können Sie sich verlassen.«
»Wir dürfen ihn also auch von einem Tatort verjagen?«
»Klar. Achten Sie nur darauf, dass Kevin nicht gerade auf die Idee kommt, wenn Sie mit hundert über die I-95 brettern.«
Jessica lächelte. Wenn man bedachte, dass Dana Westbrook erst seit kurzem dabei war, wusste sie schon ziemlich gut Bescheid. »Ich denk dran.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Mach ich, Boss.«
Solange sie die Identität des Opfers nicht kannten, konnten sie nicht allzu viel tun. Je schneller sie seine Identität feststellten, desto eher konnten sie Informationen über das Opfer sammeln. Wo hatte es gewohnt, gearbeitet, die Schule besucht, und wo war es aufgewachsen? Dann konnten sie auch anfangen, Zeugen zu befragen. Wenn die Identität eines Opfers feststand, ließen sie den Namen durch die verschiedenen Datenbanken laufen, vor allem durch das National Crime Information Center und dessen regionalen Ableger, das Philadelphia Crime Information Center.
Sobald der Leichnam in der Rechtsmedizin lag, wurden die Fingerabdrücke genommen. Im Augenblick konnten sie nur Befragungen rund um den
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