Echo Park
allem auch mich selbst. Ich habe bei der Polizei nichts verloren. Das habe ich gestern bewiesen.«
»Red doch keinen Unsinn. Du bist einer der besten Cops, die ich kenne.«
Er sah eine Träne ihre Wange hinunterfließen.
»Ich war plötzlich wie gelähmt, Harry. Ich war nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, und habe mich einfach von ihm niederschießen lassen.«
»So darfst du das nicht betrachten, Kiz.«
»Diese Männer mussten meinetwegen sterben. Ich war wie gelähmt, als er Olivas angriff. Ich habe nur zugesehen. Ich hätte ihn niederschießen sollen, aber ich stand bloß da. Ich stand einfach da und ließ mich als Nächste von ihm abknallen. Statt meine Waffe zu heben, hob ich meine Hand.«
»Nein, Kiz. Du hast nur ungünstig gestanden. Möglicherweise hättest du Olivas getroffen, wenn du einen Schuss abgegeben hättest. Und dann war es bereits zu spät.«
Er hoffte, sie verstand seinen Wink, wie sie die Sache den OIS-Leuten gegenüber am besten schildern sollte.
»Nein, dafür muss ich geradestehen. Ich …«
»Kiz, wenn du aufhören willst, kein Problem. Wenn du das wirklich willst, stehe ich voll hinter dir. Aber was diesen anderen Quatsch angeht, stehe ich nicht hinter dir. Hast du verstanden?«
Sie versuchte, das Gesicht von ihm abzuwenden, aber wegen des Verbands um ihren Hals konnte sie den Kopf nicht drehen.
»Okay«, sagte sie.
Mehr Tränen liefen über ihr Gesicht, und Bosch wusste, sie hatte Wunden davongetragen, die wesentlich tiefer waren als die an ihrem Hals und an ihrer Hand.
»Du hättest da oben sein sollen«, fuhr sie nach einer Weile fort.
»Wie meinst du das?«
»Oben an der Leiter. Hättest du dort gestanden und nicht ich, wäre das alles nicht passiert. Du hättest nicht gezögert, Harry. Du hättest ihn einfach über den Haufen geknallt.«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Niemand kann vorher sagen, wie er in einer bestimmten Situation reagiert.«
»Ich war wie erstarrt.«
»Jetzt versuch lieber mal, ein bisschen zu schlafen, Kiz. Sieh zu, dass du wieder auf die Beine kommst, und dann kannst du dir immer noch überlegen, was du tun willst. Wenn du nicht zurückkommst, kann ich das verstehen. Aber du kannst immer auf mich zählen, Kiz. Egal, was passiert und welche Richtung du einschlägst.«
Sie wischte mit der linken Hand über ihr Gesicht.
»Danke, Harry.«
Sie schloss die Augen, und er konnte sehen, wie sie sich endlich entspannte. Sie murmelte etwas, was er nicht verstand, und dann war sie eingeschlafen. Bosch betrachtete sie eine Weile und überlegte, wie es wäre, sie nicht mehr als Partner zu haben. Sie hatten gut zusammengearbeitet und waren sich auch menschlich nahegekommen. Das würde ihm fehlen.
Er wollte im Moment nicht an die Zukunft denken. Er schlug das Mordbuch auf und beschloss, lieber in der Vergangenheit zu stöbern. Er begann auf Seite eins, mit der ersten Strafanzeige.
Ein paar Minuten später hatte er sie durch und wollte sich gerade die Zeugenaussagen vornehmen, als das Handy in seiner Tasche zu vibrieren begann. Er verließ das Zimmer, um den Anruf auf dem Flur entgegenzunehmen. Es war Lieutenant Randolph von der Officer-Involved-Shooting-Einheit.
»Tut mir leid, dass wir hier so lange brauchen und Sie fürs Erste auf die Reservebank schicken«, sagte er.
»Schon gut. Ich weiß ja, warum.«
»Ja, der Druck ist enorm.«
»Was kann ich für Sie tun, Lieutenant?«
»Ich wollte fragen, ob Sie vielleicht ins Parker Center kommen und sich das Video ansehen könnten, das wir hier haben.«
»Sie haben die Kassette von O’Sheas Kameramann?«
Einen Moment herrschte Schweigen, bevor Randolph antwortete.
»Wir haben eine Kassette von ihm, ja. Ich bin nicht sicher, ob es die vollständige Aufnahme ist, und deswegen hätte ich gern, dass Sie sie sich mal ansehen. Damit Sie uns vielleicht sagen können, wo etwas fehlt. Könnten Sie kurz vorbeikommen?«
»In fünfundvierzig Minuten bin ich bei Ihnen.«
»Gut. Ich warte so lange. Wie geht’s Ihrer Partnerin?«
Bosch fragte sich, ob Randolph wusste, wo er war.
»Sieht so aus, als käme sie durch. Ich bin gerade im Krankenhaus, aber sie ist noch nicht richtig bei Bewusstsein.«
Er hoffte, Riders Vernehmung durch die OIS so lang wie möglich hinauszögern zu können. In ein paar Tagen, wenn sie keine Schmerzmittel mehr bekam und wieder bei klarem Verstand war, würde sie sich vielleicht noch mal überlegen, ob sie zugeben wollte, dass sie handlungsunfähig gewesen war, als Waits Olivas seine
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