Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
als nötig. Wir haben dort mit Problemen zu tun, die außerhalb der Schule gar nicht vorkommen. Ich sage nur Handyverbot, Nicht-Essen-dürfen-wenn-man-Hunger-hat, Nicht-aufs-Klo-gehen-dürfen und so weiter. Fernsehschrott? Ja, ich bin ein Sucker. Mein Freund, seines Zeichens Ästhet (also der mit dem guten Geschmack), leidet unter meinen Fernsehgewohnheiten. Bei uns ist es nämlich wie überall: Die Frau bestimmt, was geguckt wird, bis sie eingeschlafen ist. Dann kann der Mann die Clint- Eastwood-Western gucken.
Ein großer Fan bin ich ja von Goodbye Germany . Gäbe es dieses Format nicht schon, ich würde es erfinden. Besonders schön sind immer die Erlebnisse der Familien, die nach Spanien auswandern. Spanien heißt automatisch scheitern. Nie wandert jemand bei Goodbye Germany nach Spanien aus und spricht VORHER schon Spanisch. Oft sind es Hartz-IV-Empfänger: »Wenn schon arbeitslos, dann lieber arbeitslos unter Palmen und mit Sonne.« Stellvertretend für mich und die anderen Zuschauer rennen die Leute dann im Ausland in ihr Verderben. Diese reichen Fuzzis, die sich in Kapstadt ein Luxushotel bauen, interessieren mich nicht so sehr. Aber die Bäckerfamilie in Spanien … einfach nur großartig. Ich bewundere die Leute für ihren Mut. Toll, noch mal woanders anzufangen. Bei mir würde Auswandern schon daran scheitern, dass ich meine ganzen Sachen packen müsste. Ich bekomme ja bereits Zustände, wenn ich Klamotten für einen Skiurlaub rauslegen soll. Ich will aber auch gar nicht auswandern. Jedenfalls im Moment nicht. Mir geht es hier ganz gut, ich genieße mein Leben in den geordneten Bahnen des deutschen Alltags. Aber dieses Substitutionsemigrieren, das ich via Fernsehen mitbekommen darf, das fetzt. Wobei mir Conny Reimann langsam auf die Ketten geht.
Eigentlich könnte es doch noch viel mehr Reality-TV geben. Ich hätte gerne noch: Frau Müller an Kasse drei – Alltag bei Lidl ; Kann ich Ihnen helfen? – Dabei in der Damenoberbekleidung bei Karstadt ; Und abends wieder »Cats« – Ein Jahr als Animateurin auf Gran Canaria ; Setz den mal in die letzte Reihe, der sieht so scheiße aus – Hinter den Kulissen von Nachmittagstalkshows ; Der Herr will wieder in seine Zelle – Lehrerin im Jugendarrest .
Natürlich darf auch nicht fehlen: Frau Freitag, er sagt mir Hurensohn! – Täglicher Wahnsinn im Klassenzimmer .
Also liebes Fernsehen, meine Vorschläge könnt ihr gerne haben. Ich will da nichts für. Bringt mal ein wenig Abwechslung in euer Programm. Auf die eine oder andere Koch- und Restauranttestersendung können wir doch verzichten.
Endlich nicht mehr nichts
»Frau Freitag, kennen Sie diesen Emre?«, fragt mich Gülistan aus der doofen Achten kurz vorm Klingeln.
»Emre, aus meiner alten Klasse? Der, der jetzt Rapper ist?«
»Ja.«
»Klar kenne ich den. Ach ja, der war doch gestern hier und hat gerappt mit diesen ganzen anderen Rappern, oder? Wie war das denn?«
Gestern fand eine große Musikveranstaltung mit unseren regionalen Gangsterrappern statt. Leider konnte ich daran nicht teilnehmen.
»Dieser Emre war der Beste«, sagt Gülistan mit verträumtem Blick.
»Ja, vallah , bei sein eines Lied über seine Mutter, ich hab voll geheult«, erzählt Dilara.
»Er hat nach Ihnen gefragt«, sagt Yunus.
»Wie, er hat nach mir gefragt?«
»Bevor er angefangen hat zu rappen, hat er gefragt: Wo ist Frau Freitag?«
Schade, dass ich nicht dabei war! Aber der Rest der Schule hat es gehört – das reicht. Ich werde mir seinen Auftritt auf irgendeinem Schülerhandy ansehen können.
Es klingelt. Ich höre das unvermeidliche »Ich hab keine Englischsachen mit«, aber ich bin milde gestimmt. Mein Credo des Vormittags: Ich werde mich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
»Okay, Leute, hier mein Angebot: Wir machen kurz die Höraufgabe von letztem Montag zu Ende. Wenn das gut läuft, gucken wir noch die Simpsons .« Da sich kein merklicher Widerstand regt, beginne ich mit dem Tafelanschrieb. Wir bearbeiten die Aufgabe, dann baue ich den Beamer auf.
Während die Schüler erfahren, was Barts erste Worte waren und wie Lisa und er sich kennenlernten, räume ich meinen Schreibtisch auf. Eine sehr angenehme Stunde, die auch zeitlich gut hinhaut. Zehn Minuten vor Schluss baue ich den Beamer und den Laptop ab. Als ich gerade den Schrank abschließe, geht die Tür auf und Fatma und Miriam aus meiner letzten Klasse kommen aufgeregt in den Raum. Die Achten glotzen sie schweigend an.
Fatma hält einen riesigen
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