Echte Biester: Roman (German Edition)
sagte Derek. »Wie geht noch mal mein Text?«
Raven eilte mit einem Exemplar des Drehbuchs herbei. »Du musst sagen: Jetzt kämpfe ich mich schon seit vier Stunden durch diesen Sumpf, vielleicht auch seit fünf, denn ich habe jedes Zeitgefühl verloren. «
»Okay«, sagte Derek. »Dann mal los.«
»Take zwei. Action!«
»Jetzt kämpfe ich mich schon stundenlang durch diesen Sumpf und habe jedes Zeitgefühl verloren …«
Als er zu der Stelle kam, wo er sagen sollte, dass etwas zwischen seinen Beinen hindurchgeglitten sei, hielt Derek inne. Der Regisseur forderte Mickey mit einer brüsken Handbewegung auf, ins Wasser zu steigen.
»Wo ist Ihr schuppiger kleiner Freund, Mr. Cray?«
»Hier. Wie lautet mein Stichwort?«
» Ah! Da ist es wieder! Wenn er das sagt, lassen Sie die Schlange in der Nähe von Derek ins Wasser.«
»Kein Problem.«
»Und passen Sie auf, dass Ihre Pfoten nicht ins Bild geraten!«, warf Derek ein.
Oh, oh , dachte Wahoo. Da haben wir den Salat .
Doch aus irgendeinem Grund blieb sein Vater ruhig. »Bei allem Respekt, Mr. Beaver, aber ich mache so was nicht zum ersten Mal«, sagte er.
»Ich heiße Badger, nicht Beaver!«
Vorsichtig holte Mickey Fang aus seinem Hemd. Die Schlange wand sich um Mickeys Unterarm und ließ neugierig ihre rötliche Zunge vorschnellen.
Aus der Ferne war Donnergrollen zu hören. Wahoo und Tuna blickten zum Himmel hoch, der immer finsterer wurde.
Der Regisseur schaute ebenfalls nach oben. Dann klatschte er in die Hände und sagte: »Sind wir so weit? Drei, zwei, eins und … Action!«
»Gerade ist etwas zwischen meinen Knöcheln durchs Wasser geglitten!« , fuhr Derek fort. »Das war entweder ein Aal oder eine Schlange, hoffentlich keine giftige. In den Everglades wimmelt es von tödlichen Mokassinschlangen. Ein Biss, selbst von einem kleinen Exemplar, würde genügen, um mich umzubringen.
Ah! Da ist es wieder!«
Schlangen sind Kaltblüter, was bedeutet, dass ihr Reaktionsvermögen von der Temperatur ihrer Umgebung abhängt und deshalb stark variiert. Bei kühlem Wetter verlangsamt sich der Stoffwechsel einer Schlange, und sie wird träge und schläfrig. Je wärmer es ist, desto aktiver und lebhafter wird sie.
Da die Wassernatter längere Zeit an Mickeys warmem Bauch gelegen hatte, war sie, als er sie ins Wasser ließ, hellwach und voller Tatendrang. Und Mickey wusste auch, dass sie äußerst unwirsch reagieren würde, wenn sie wieder von jemandem gepackt wurde.
»Hab ich dich!!!« , krähte Derek, der die Schlange unvorsichtigerweise in der Mitte packte.
Von dem Moment an lief alles aus dem Ruder.
Wie Mickey erwartet hatte, flippte Fang aus. Erst biss die Schlange Derek in den einen Arm, dann in den anderen, anschließend in die Hand, ins Handgelenk und zum Schluss sogar ins Kinn.
»Mann! Mann! Mann!«, jammerte er, ließ die Schlange aber nicht los.
Tuna lehnte sich gegen Wahoos Schulter. »Wow« war alles, was ihr dazu einfiel.
Der Regisseur war von dem, was sich da abspielte, so erschüttert, dass er vergaß, »Cut!« zu schreien. Raven, die hinter ihm im Boot saß, sank in sich zusammen und hielt sich die Augen zu.
Der Mann mit der Steadicam ging pflichtbewusst seiner Arbeit nach und filmte das Blutbad. Während Derek sich vergeblich bemühte, das zappelnde, sich windende und nach ihm schnappende Reptil zu bändigen, versuchte er, seinen Text aufzusagen:
»Ich fürchte, heute ist nicht gerade dein … aua! … Glückstag, Kumpel!«
Je öfter er gebissen wurde, desto mehr geriet seine Entschlossenheit, sein gereiztes Opfer umzubringen und zu essen, ins Wanken. Trotzdem gab er sich alle Mühe, um seiner Fans willen durchzuhalten.
»Mein Abendessen!« , krächzte Derek. »Uuuuh!«
Nerodia fasciata hatte seinen Daumen gefunden und kräftig hineingebissen.
Derek fuchtelte mit der verletzten Hand herum und kippte nach hinten ins Wasser, das hoch aufspritzte. Als drei Leute vom Team ihn herausfischten, war er triefnass und spuckte Wasser. Die Schlange war längst verschwunden.
»Gut gemacht, Fang«, sagte Mickey leise.
Tuna sah Wahoo an, der rasch wegblickte, weil er sich das Lachen verbeißen musste.
14
In aller Eile wurde Derek Badger ins Lager gebracht, wo man seine zahlreichen kleinen Bisswunden mit antibiotischer Salbe beschmierte. Seine Auseinandersetzung mit der lebhaften Wasserschlange hatte ihn so erschüttert, dass er erklärte, für heute Feierabend zu machen.
»Lass den Hubschrauber kommen«, sagte er zu Raven. »Ich fliege ins
Weitere Kostenlose Bücher