Echte Morde
Robins Namen schon einmal gehört zu haben, vielleicht verwechselte sie ihn ja aber auch mit der Figur in dem weltbekannten Roman. Wie dem auch sei: Sie sprach seinen Namen wie „Corso" aus und gab uns einen sehr guten Tisch. Als erstes unterhielten wir uns natürlich über den Mord an Pettigrue.
Um das Thema zu wechseln bat ich Robin, mir von seiner Arbeit an der Universität zu erzählen und fragte, ob diese ihm nicht zu viel von seiner Zeit zum Schreiben stahl. Beides Fragen, die er anscheinend nicht zum ersten Mal beantwortete. Der Mann mir gegenüber war interviewerfahren, war es gewohnt, erkannt zu werden. Ich fühlte mich erst besser, als mir wieder einfiel, dass Lizanne ihn mir ganz offiziell „vermacht" hatte, und kaum hatte ich an Lizanne gedacht, als auch schon ihre Eltern Arnie und Elsa am Tisch gegenüber Platz nahmen. Sie waren in Begleitung der Crandalls, die das Reihenhaus neben mir bewohnten.
Uns gegenüber saßen nun gleich zwei gesellschaftliche Verpflichtungen meinerseits, also teilte ich Robin mit, wer da gekommen war, und wir gingen hinüber, um guten Tag zu sagen.
Arnie Buckley sprang auf und schüttelte Robin enthusiastisch die Hand. „Lizanne hat uns von Ihnen erzählt!", sagte er. „Wir sind alle so stolz, dass es einen berühmten Autor wie Sie ausgerechnet zu uns nach Lawrenceton verschlagen hat. Gefällt Ihnen unsere Stadt?" Mr. Buckley, der Zeit seines Berufslebens Mitglied der örtlichen Handelskammer gewesen war, war sich nicht zu schade, die Werbetrommel für Lawrenceton zu rühren.
„Ein ziemlich aufregendes Städtchen", meinte Robin ehrlich.
„Sie müssen unbedingt in der Bibliothek vorbeischauen. Die ist vielleicht nicht so gut sortiert wie die in der Stadt, aber uns gefällt sie. Elsa und ich sind beide dort als Ehrenamtliche tätig. Irgendetwas muss man ja als Pensionär mit seiner Zeit anstellen."
„Ich helfe im Wesentlichen beim jährlichen Bücherverkauf", meinte Elsa bescheiden.
Elsa war Lizannes Stiefmutter, war aber bestimmt so attraktiv, wie Lizannes leibliche Mutter gewesen sein muss. Arnie Buckley hatte Glück gehabt, was attraktive Frauen in seinem Leben betraf. Obwohl Elsa mittlerweile nicht mehr die Jüngste war, mit grauem Haar und Falten im Gesicht, bot sie doch immer noch einen sehr angenehmen Anblick und war eine Frau, mit der man sich gerne unterhielt.
Ich hatte gar nicht gewusst, dass die Buckleys mit den Crandalls befreundet waren, konnte aber gut verstehen, was beide Paare zueinander hinzog. Jed Crandall war ebenso wie Arnie Buckley kein Rentner, der es sich in seinem Lehnstuhl bequem gemacht hatte, sondern ein höchst lebendiger, fideler älterer Herr, den man leicht verärgern, mit dem man sich aber ebenso leicht auch wieder versöhnen konnte. Seine Frau wurde allgemein Teentsy genannt, eine Verniedlichung, die selbst jetzt noch an ihr haftete, auch wenn sie inzwischen bestimmt gute zehn Kilo schwerer war als ihr Mann.
Teentsy und Jed begrüßten Robin mit allen Höflichkeitsfloskeln, mit denen man einen neuen Nachbarn willkommen heißt.
Sie forderten ihn auf, jederzeit bei ihnen hereinzuschneien, und da er ja ein bemitleidenswerter Junggeselle sei (hier warf mir Teentsy einen verschmitzten Blick zu), sollte er ruhig an ihre Tür klopfen, wenn ihm das Essen ausginge. Sie hätten immer reichlich im Haus, was ja wohl hoffentlich jedem klar sei, der sie zu Gesicht bekäme.
„Interessieren Sie sich für Gewehre?", wollte Jed eifrig wissen.
„Jed hat eine beeindruckende Sammlung", erklärte ich hastig, fand ich doch, mein Begleiter müsste gewarnt werden.
„Manchmal schon, rein professionell." Das schienen die Crandalls nicht zu verstehen, weswegen Robin noch anfügte, er schreibe Kriminalromane. Die Buckleys, die guten Seelen, begleiteten seine Worte mit begeistertem Nicken.
„Kommen Sie ruhig vorbei, zieren Sie sich nicht", drängte Jed Crandall.
„Danke. Es war schön, Sie kennenzulernen", bedankte sich Robin, an den ganzen Tisch gewandt. Nachdem wir noch einmal betont hatten, wie nett das unvorhergesehene Treffen gewesen war und wie bald wir uns wiedersehen würden, durften wir uns wieder an unseren Tisch zurückziehen.
Die Begegnung hatte Robin neugierig gemacht. Ich erzählte ihm mehr von den Crandalls und den Buckleys und begann, mich zu entspannen. Wir sprachen über Robins Arbeit, und als unser Essen kam, war ich bereit, wieder über die Morde zu reden.
„Jane Engle kam heute in die Bibliothek, mit einer ziemlich
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