Echte Vampire haben Kurven
vierten Staffel befand sich bereits im DVD-Player. Hm. Dass Carry wieder mit Big zusammen kam, erinnerte mich schmerzlich daran, dass ich allein in einem Baumwollnachthemd auf dem Sofa saß und in absehbarer Zeit kein Sex in Sicht war. Aber immerhin war meine Abstinenz selbst auferlegt.
Als ich draußen eine Diele knarren hörte, erhob ich mich, um zu überprüfen, ob die Wohnungstür auch richtig geschlossen und verriegelt war. Alles paletti. Ich kehrte zurück, legte die Füße auf den Couchtisch und nahm die Fernbedienung zur Hand. Eine Folge noch. Mein neues Leben in Austin versprach ja recht interessant zu werden. Und der sexy Italo-Casanova? Eindeutig ein Bonus.
»Hallo.« Ich hatte beschlossen, Kontakt zu meinen Geistern aufzunehmen, um zu eruieren, ob sie vorhatten, mir Schwierigkeiten zu bereiten. Wenn nicht, würde ich am darauffolgenden Abend damit beginnen, den Laden zu renovieren.
Meine erste »Begegnung« mit ihnen war schon mal recht vielversprechend gewesen.
»Ich rufe alle Geister, ob übelgesinnt oder nicht.« Ich wischte den Staub von einem wackeligen Stuhl und setzte mich. Jetzt hieß es abwarten.
»Ihr hattet völlig Recht, was Damian angeht. Heiß, aber ein Schürzenjäger. Vielen Dank für die Warnung.« Und abwarten.
»Ach, kommt schon, zeigt euch. Ihr wart doch bestimmt einsam hier. Ich würde euch gern von meiner Geschäftsidee erzählen. Vielleicht könnt ihr mir ja helfen.«
Ich registrierte einen kalten Lufthauch, dann materialisierte sich ein weibliches Wesen. Genauer gesagt, einbetagtes Cowgirl. Roter Hut, Stiefel und ein entzückendes Outfit aus weißem Leder.
»Wow! Sehr hübsch, der Fransenrock.«
»Vielen Dank, meine Liebe. Finde ich auch. Zum Glück, schließlich muss ich bis in alle Ewigkeit darin rumlaufen.« Das Cowgirl sah sich um. »Du willst den Laden also wieder in Schuss bringen?«
»Das habe ich vor, ja. Sofern wir uns einigen können.«
»Das ist die richtige Einstellung. Ich war zuerst hier.« Sie nahm den Hut ab und schüttelte sich das graue Haar auf. »Was schwebt dir denn vor?«
»Vintage Vamp’s Emporium.« Der Hut segelte quer durch den Raum und verschwand. Ich fürchte mich nicht vor Geistern. Da gibt es meiner Ansicht nach weit furchteinflößendere Kreaturen. Am unheimlichsten finde ich immer noch die Gestaltwandler. Der Umgang mit einem Werwolf, mit dem man gerade Schluss gemacht hat, ist kein Vergnügen.
Was die Geister angeht, hatte es auf Schloss Campbell vor untoten Ahnen nur so gewimmelt. Einer von ihnen war mit einer
Axt in der einen Hand und dem Kopf eines Widersachers in der anderen im Korridor umgegangen. Verglichen damit war ein Cowgirl eine angenehme Überraschung.
»Ich bin kein professionelles Cowgirl.« Sie betrachtete ihren Lederrock. »Die Kluft ist okay, aber ich war nicht immer so angezogen. Reiner Zufall, dass ich gerade in diesen Klamotten abgetreten bin.«
Stöhn. Wieder jemand, der ungeniert meine Gedanken las. Natürlich.
»Man sollte sich wirklich jeden Tag gut überlegen, was man anzieht. Ich meine, wer läuft schon gern bis an sein Lebensende in einer ausgeleierten Jogginghose und Turnschuhen rum?« Ich sah an mir herunter. Jeans, T-Shirt.
»Genau.« Das Cowgirl nickte vielsagend. »Ich heiße Emmie Lou Nutt.«
Sie seufzte, als ich kicherte. Eigentlich hasse ich Leute, die kichern, aber manchmal kann man eben nicht anders.
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch, leider. Denkst du, ich wollte so heißen? Aber es gab eben in ganz Travis County keinen Mann, der so küssen konnte wie Harvey Nutt. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte …« Sie hob den Kopf und schnitt eine Grimasse. »Zu spät. Schon klar.«
»Ich bin Gloriana St. Clair, Glory für meine Freunde.« Ich streckte ihr die Hand hin, aber Emmie machte keine Anstalten, sie zu ergreifen.
»Berühren is nich.« Sie setzte sich auf einen der anderen wackeligen Stühle. »Jetzt erzähl mal von deiner Geschäftsidee. Du bist also eine Vampirin, ja?«
»Ganz recht, aber das ›Vamp‹ im Namen bezieht sich eher auf eine Phase in meinem Leben, damals in den wilden Zwanzigerjahren. Ich werde alte Klamotten und Antiquitäten verkaufen.
Was ich so an den Mann bringen kann. Du scheinst mir einen ganz guten Geschmack zu haben.«
»Danke, Schätzchen.« Sie erhob sich und ging um mich herum. »Zu meiner Zeit hat man Jeans nur getragen, um die Pferdeställe auszumisten.«
Ich machte lächelnd eine ausholende Armbewegung. »Genau deshalb bin ich ja hier, um mal
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