Ed King
elastischen Band getragen würden. »Ich will kein elastisches Band«, sagte Eddie. »Ich will überhaupt keine Brille. Ich trage keine Brille.« Alice ließ ihm Kontaktlinsen anpassen.
Ein echtes Ass aber war Eddie beim Schwimmen. Die Schwellung am Fuß war zurückgegangen und er war nur noch ein wenig dicker als der andere. Mit jedem Sommer wurde Eddie besser und stellte neue Club-Rekorde auf. Er nannte sich jetzt Ed statt Eddie und zuckte zusammen, wenn seine Eltern ihn Edeleh riefen. Dennoch genossen Dan und Alice es, von der Tribüne aus zuzuschauen – Simey spielte unterdessen mit anderen Kindern –, wie Ed in seinem Wettkampfanzug seinen Konkurrenten im Butterfly, Freistil und 200 Meter Lagen davonzog und der Lagenstaffel zur historischen Bestzeit aller privaten Schwimmclubs in Seattle verhalf. Der Anblick seiner muskulösen Schultern und seiner schmalen Taille, wie er seine Arme ausschüttelte und sich vor dem Startschuss mit den Zehen fest an den Startblock klammerte, warf für Dan ein neues Licht auf seine leiblichen Eltern, die für ihn in Momenten wie diesen als die wahre Quelle für Eddies Erfolg anwesend waren. Alice war weniger geneigt, ihnen das Verdienst zuzugestehen, und glaubte, dass ihre unermüdlichen Anstrengungen – Eddie jeden Morgen um sechs Uhr früh zum Training zu bringen und nicht einen Termin zu verpassen – der eigentliche Grund für seine herausragenden Leistungen war. Sie strahlte bei jedem seiner Triumphe und hatte manchmal Freudentränen in den Augen. Wenn sie jetzt ihren Vater anrief, sagte er: »Hole Mr Mark Spitz für seinen Zaydie ans Telefon; ich möchte gerne wissen, wie es ihm mit seinen sieben Goldmedaillen geht und ob die Mädchen schon ganz verrückt nach ihm sind.«
Und wie sie das waren; Ed King war ein Mädchenschwarm. In seinem Schwimmteam waren zwei Badenixen, beide älter als er, die bei Wettkämpfen gerne neben Ed auf dem Handtuch saßen, mit ihm im Clubhaus Mau-Mau spielten, ihn beim Wasserbasketball zu zweit stoppten und ihn abwechselnd zu einer Partie Tetherball herausforderten (schnelle und schwindelerregende Matches, die Alice von ihrem Platz auf einer Liege unter einem Sonnenschirm beobachtete). In der Samstagsschule gab es ein frühreifes Mädchen, das in Eds Gegenwart hochrot anlief und zu seinen Basketballspielen im jüdischen Gemeindezentrum erschien, wo Ed in der Regel zwanzig Punkte und mehr erzielte und seinem Team eine einzigartige Siegesserie bescherte. Dann gab es ein Mädchen in der Nachbarschaft, ein Jahr älter als Ed, das für Musik schwärmte und eine Plattensammlung, eine Stereoanlage und Poster von David Bowie und Patti Smith in ihrem Zimmer hatte. Und es gab ein Mädchen aus der Schule, das anrief und fragte, ob er Lusthätte, mit ein paar Freunden in die Northgate Mall zu fahren. Gemeinsam zogen sie los, Ed und zwei Mädchen. Nachdem sie auf einer Bank gesessen und Pommes frites aus Tüten gegessen hatten, sahen sie sich im Kino Der weiße Hai an. Ed saß zwischen seinen beiden Verehrerinnen, eine Popcornbox auf dem Schoß, in die sie abwechselnd hineingriffen und ihm eine Erektion verschafften.
Ed und Simon gingen nun auf Gladys Glens neue Schule für Neun- bis Zwölfjährige, wo im hinteren Teil des Mathematikraums – ein Novum für Schüler ihres Alters in der Gegend – vier wuchtige Computer standen. Darauf entdeckten sie Videospiele, und weil sie ständig von Videospielen redeten und ihren Eltern damit in den Ohren lagen, kauften Dan und Alice ihnen zu Chanukka eine Pong-Konsole. Innerhalb von drei Monaten hatten die Jungen die Drehknöpfe ausgeleiert, den Fernseher ruiniert und während des Spiels ständig so viel Krach gemacht und sich gegenseitig angebrüllt, dass Dan und Alice an Schultagen nach zehn Uhr ein Spielverbot verhängen mussten. An Wochenenden trieben Ed und Simon sich in einer Spielhalle herum, wo sie Jetfighter, Shark Jaws, Stunt Cycle und Gun Fight spielten und darin wetteiferten, die eigenen Initialen unter der Anzeige »Hi Score« aufleuchten zu sehen.
Dann stand mit einem Mal Eds Bar-Mizwa bevor. Er musste mit Rabbi Weisfeld die entsprechenden Abschnitte der Thora und der Hafthora lesen und sie auslegen. Weisfeld sah ihn streng an und nahm Ed gnadenlos in die Mangel. Er wusste, dass der Junge nicht das leibliche Kind seiner Eltern war, und war daher umso mehr beeindruckt, als Ed seine Texte so schnell auswendig lernte wie ein Talmudschüler, wie er seinen Ausnahmeschüler vor den Eltern lobte. »Da
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