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Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
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sich die Augen trocken. Für die gründliche Untersuchung
des Päckchens war ein klarer Blick angebracht.

12
     
    Luigi Milano bremste die Gabel aus,
die im Begriff war, sich in die Hähnchenkeule zu bohren, und zog die struppigen
Augenbrauen zusammen. »Knochen, sagst du? Menschliche Knochen?«
    »Eine Hand.
Rechts. Elle und Speiche hängen noch dran.« Sie tippte auf das Päckchen, das in
angemessenem Abstand neben dem Teller lag. Sie hatte Milano zur Mittagspause in
›Walter’s Futterkrippe‹ erwischt, seinem Lieblingsimbiss, der dem Polizeipräsidium
Westhessen schräg gegenüberlag, sodass der Hauptkommissar nur die Konrad-Adenauer-Allee
überqueren musste. Eigentlich hätte sie die seltsame Post lieber mit Dirk Wolfert
besprochen, der war aber zu einem Außentermin unterwegs. Bei Milano konnte sie nie
sicher sein, wonach ihm gerade war: Seiner Exkollegin liebend gern behilflich zu
sein oder sie zum Teufel zu wünschen. Während ihrer Zeit im Polizeidienst hatten
sie gar nicht so schlecht zusammengearbeitet. Bei aller Ruppigkeit war Milano keiner,
der einen Kollegen im Stich ließ. Und er konnte den Mund halten und auch mal fünf
gerade sein lassen. Im Letzteren war er Wolfert um Lichtjahre voraus. Wie ebenso
mit seinem immerwährenden Appetit. Ein Verlangen, das man ihm ansah; vor allem neben
Wolfert, den er wie ein Sumoringer in alle Richtungen überragte. Auch charakterlich
waren sie ein höchst ungleiches Paar; Wolfert, dessen Gründlichkeit bisweilen pedantische
Züge annahm, und Milano mit seinem südländischen Temperament. Niemand wäre auf die
Idee gekommen, die beiden Kommissare Freunde zu nennen. Doch als Duo waren sie bemerkenswert
erfolgreich und wurden von den Kollegen respektiert wie von den Kriminellen gefürchtet.
    Milano spießte
ein Fleischstück auf und hielt ihr den Bissen unter die Nase. »Probier’ mal!«
    Er wusste,
mit dem Angebot riskierte er nichts. Als sie den Kopf abwandte, schob er sich die
Gabel in den Mund.
    »Unverzagt
auf dem Gemüsetrip?«, fragte er spöttisch und mampfte mit dicken Wangen. »Du weißt
nicht, was dir entgeht.«
    Ohne Neid
schaute sie zu, wie das halbe Hähnchen nach und nach verschwand, bis das zerfetzte
Gerippe übrig blieb. Nichts vermisste sie weniger als ein Stück Fleisch.
    Er schob
den Teller beiseite. »Dann lass mal sehen!«
    »Hier?«
    Sie schaute
sich um. Unter dem Glasvorbau standen die Gäste Schlange, darunter ein, zwei frühere
Kollegen, die ihr zunickten und sich fragen mochten, was die Exkommissarin mit dem
Hauptkommissar zu schaffen hatte. Sie trug die Schachtel in eine ruhige Ecke. Milano
folgte und verwehrte mit seiner Masse jeden Einblick auf den Tisch. Mit dem Rücken
zum Publikum lüftete sie den Deckel.
    Milano knurrte
einen Satz auf Italienisch und begutachtete den Inhalt mit der ihm eigenen düsteren
Miene. »Warum kommst damit zu mir?«
    Weil Dirk
beschäftigt ist, du Sonnenschein!, dachte sie und zischte im Flüsterton: »Weil du
ein erfahrener Mordermittler bist! Oder hat man dich inzwischen zu den Verkehrsdelikten
versetzt?«
    Milano drückte
die verschränkten Arme gegen den Bauch. Auf dem karierten Hemd glänzte ein frischer
Ölfleck. »Ich sitze an dem Bericht über die ertrunkene Staatsanwältin. Von all den
anderen Aktenstapeln nicht zu reden. Und da kommst du mit diesem Knochenkram.«
    »Was du
Knochenkram nennst, war einmal ein Mensch, Luigi!«
    Sie war
unwillkürlich laut geworden. Milano fuhr herum und drehte den massigen Rumpf im
Ganzen, als ließen sich Hals, Schultern und Bauch nicht einzeln bewegen. Die anderen
Gäste beachteten sie nicht. Sie waren mit ihrer Mahlzeit beschäftigt oder gaben
am Tresen ihre Wünsche bekannt. Die früheren Kollegen unterhielten sich angeregt.
    »Ruhig Blut,
Norma! Ich meine nur, du hättest den Dienstweg nehmen können: Am Küchentisch sitzen
bleiben, die Kollegen der Schutzpolizei anrufen und einfach abwarten, bis das Päckchen
abgeholt wird. Und alle Sorgen los sein.«
    »Und damit
den Fall aus der Hand geben? Nein, Luigi. Ich glaube kaum, dass diese Post grundlos
direkt an mich geschickt wurde.«
    »Und was
sollte der Grund sein?«
    »Das weiß
ich nicht. Noch nicht. Aber ich werde es herausfinden.« Sie drückte den Pappdeckel
herunter und fügte hinzu: »Das ist ein Auftrag, Luigi!«
    Milanos
Augenbrauen zuckten spöttisch. »Ein Auftrag, der sogar für Norma Tann zu heikel
ist, um ihn geheim zu halten?«
    »Hier ist
ein Mensch gestorben.«
    »Du beantragst
also

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