Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
Amtshilfe?«
»Wenn du
es so nennen willst, Luigi.«
»Also gut,
Norma! Milchkaffee wie immer?« Er hob den Arm und bestellte mit lauter Stimme außerdem
einen Espresso für sich selbst. Anschließend fragte er nach dem Päckchen. Norma
beschrieb die wenigen Details. Über den Barcode könnte man herausfinden, wo es aufgegeben
wurde, wusste Milano. Er holte den Kaffee vom Tresen.
»Hast du
gar keine Idee, wer dir diesen, nennen wir es Auftrag, verschafft hat?«, fragte
er, als er die Tassen abstellte. »Woran hast du zuletzt gearbeitet? Was ist mit
dem Fall, dem du die blauen Flecken verdankst?«
Er deutete
auf ihre langen Blusenärmel. Die Spuren von Bennis rüder Verteidigung waren verblasst,
aber nicht vollständig verschwunden.
»Ich bin
alle Notizen von Klientengesprächen und die Mails mit Anfragen der letzten Wochen
durchgegangen. Da ist nichts, was mit den Knochen zu tun haben könnte.«
Milano dachte
laut nach. »Der Absender muss dich nicht persönlich kennen. Empfehlungen, Telefonbuch,
Internet. Es gibt genügend Möglichkeiten, eine Privatdetektivin ausfindig zu machen.
Du genießt einen gewissen Ruf in Wiesbaden.«
»Einen gewissen Ruf?«
Er lächelte
besänftigend. »Einen guten Ruf! Ehrlich, Norma. Wenn ich’s dir sage!«
Norma musste
an die Staatsanwältin denken und an deren gewissen Ruf. »Was habt ihr über Angela
Bennefeld herausgefunden?«
Er riss
die Zuckertüte auf und schüttete den Inhalt in den Espresso. »Die Frau Doktor hatte
ordentlich einen im Kahn. Sekt und Wein in der Spielbank. Im Schiersteiner Lokal
›Zum Hafen‹, in dem sie nach unseren Ermittlungen anschließend war, gab es wieder
Wein und, dem Alkoholspiegel nach zu urteilen, dazu etliche Schlucke aus dem privaten
Vorrat. Sie hatte immer Wodka bei sich. Ein Fehltritt auf der Promenade, und aus
die Maus.«
»War es
mit Sicherheit ein Unfall? Wie sieht das Ergebnis der Obduktion aus?«
Milano rührte
in der Tasse. »Nach unseren Zeugenbefragungen hat niemand etwas gehört. Kein Rufen,
keine Schreie, nichts. An der Leiche gibt es keine Abwehrspuren. Keine Kopfverletzung.
Sie war nicht bewusstlos, als sie ertrank.«
»Hatte die
Bennefeld Feinde? Vielleicht jemand, der sich von ihr zu Unrecht verurteilt fühlte?«
»Dirk kümmert
sich um ihre Fälle als Staatsanwältin. Alles Kleinkram. Diebstähle, Sachbeschädigungen,
Betrügereien. Nichts, was jemanden genügend provozieren könnte, um ihr ans Leben
zu wollen. Es war kein Geheimnis, dass die Dame ein Alkoholproblem hatte. Ein falscher
Schritt, sie landet im Wasser und versinkt wie ein Stein.« Die Staatsanwältin sei
kein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Norma war
mit ihren Gedanken zu den eigenen Angelegenheiten zurückgekehrt. »Das Päckchen muss
in die KTU. Die Kriminaltechniker sollen es sich vornehmen. Auf der Außenseite wird
man nach dem Transport kaum verwertbare Spuren finden können, aber innen vielleicht.
Und die Knochen müssen untersucht werden. Du hattest doch immer einen guten Draht
zu den Medizinern des LKA.«
Er knurrte
eine Art Zustimmung. »Ich brauche dich fürs Protokoll.«
»Wenn du
Zeit hast, komme ich gleich mit.«
Sie gingen
zur Tür. Milano trug den Postkarton.
Draußen
sagte er: »Was macht dich überhaupt so sicher, dass der Mann tot ist? Bisher haben
wir nur einen halben Arm im Karton.«
»Luigi!
Willst du damit sagen, da hat jemand seinen abgetrennten Arm aufgehoben?«
Er grinste.
»Warum denn nicht? Unfälle gibt es immer. Vielleicht solltest du nach einem lebendigen
Einarmigen suchen!«
13
Ein Einarmiger? Milanos Humor nahm
hin und wieder bizarre Züge an. Auf das Ergebnis des Hessischen Landeskriminalamts,
das einen Steinwurf vom Polizeipräsidium Westhessen entfernt lag, würde sie sich
sicherlich eine Weile gedulden müssen. Alte Knochen, die nicht nachweislich mit
einem Verbrechen in Verbindung standen, gehörten leider nicht in den Top-Bereich
der To-do-Liste. Vielleicht könnte Luigi den Medizinern ein bisschen Dampf machen?
Darauf verstand er sich, und sie war auf den geringsten Anhaltspunkt angewiesen.
Der Beamte
hinter der Glasscheibe, der sie von früher kannte, begrüßte sie erfreut und drückte
den Knopf für die Zwischentür. Im Büro nahm Milano auf, was sie zu dem Päckchen
zu sagen hatte, und versprach, es schnellstens der Kriminaltechnik zukommen zu lassen.
Eine Stunde
später fuhr sie zurück nach Biebrich. Vor dem Büro erwartete sie ein überraschender
Besuch: die Dame aus dem Spielcasino.
»Ich
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