Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
Vom Netzwerk:
Lederhosen. Trotzdem fragte sie sich
einen winzigen Moment, ob es tatsächlich ein Bub war. Diese Locken! Sie strich den
zerknüllten Zettel in ihrer Hand glatt und verglich die Nummer mit den Ziffern auf
dem blauen Emailleschild am Gartentor. Die Adresse stimmte: Edvard-Grieg-Straße
17. Das Haus erschien ihr ungewöhnlich, gefiel ihr erst auf den zweiten Blick. Mit
strahlend weißer Fassade wie neu gebaut. Ein Bungalow mit flachem Dach. Die Terrasse,
auf der die Frau im Liegestuhl lag, befand sich in einer geschützten Nische zwischen
den Hauswänden. Der Garten wirkte frisch angelegt. Die Büsche und Bäumchen niedrig
genug zum Darübersteigen, vereinzelte Stauden und quadratmeterweise nackte Erde
entlang des Jägerzauns. Nur der Rasen erschien von der Straße gesehen sehr dicht.
    Prachtvoll
wird das einmal werden, malte sie sich aus. Sobald die Pflanzen gewachsen waren.
Den Leuten ging es gut, das sah man.
    Am Straßenrand
parkte ein Lieferwagen. Solange sie sich in dessen Schatten aufhielt, würde die
Frau im Liegestuhl sie nicht entdecken. Das Kind stapfte zum Sandkasten – dort mitten
auf dem Rasen. Nun kletterte es über die Kante, bückte sich und holte ein Spielzeug
heraus. Eine bunt bemalte Lokomotive, die es ins Gras setzte und am Seil hinter
sich herzog.
    Wenn das
kein Bub ist!, dachte sie stolz. Ihr Bub. Es zerriss ihr das Herz. Wenn sie jetzt
über den Zaun steigen, nein, springen und den Kleinen an ihre Brust reißen könnte
… Tränen strömten ihr übers Gesicht, als sie in der Handtasche nach dem Holzpferdchen
wühlte; so zart, sie konnte es mit der Hand umschließen.
    Endlich
erhob sich die Frau aus dem Liegestuhl und ging ins Haus. Der Junge saß im Gras,
schob die Lok hin und her und brummte dazu. Die Locken wippten in seinem Nacken.
Sie wischte sich das Gesicht mit dem Handrücken trocken. Geduckt schlich sie sich
an den Zaun heran, hob den Arm und schleuderte das Pferdchen weit von sich. Es landete
eine Armlänge entfernt von dem Jungen, der versonnen weiterspielte.
    Sie hoffte
mit Inbrunst, dass er es finden würde.

15
     
    Dienstag, der 19. Juli
     
    Die Nacht hatte neuen Regen mitgebracht
und den Sommer ein Stück aus der Bahn geworfen. Norma nahm neben der Handtasche
auch ihre Jacke aus dem Wagen. Die Luft war herbstlich kühl, und über dem Wasser
hielt sich dicker Nebel, als sie die Schiersteiner Hafenpromenade entlangspazierte.
Ein alter Fabrikturm, dessen Efeubewuchs sich weit hinauf hangelte, überragte die
Hausdächer. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, konnte aber in dem Storchenhorst
keinen gefiederten Bewohner entdecken. Unwillkürlich hielt sie nach dem von grauem
Schiefer ummantelten Turm der Christophoruskirche Ausschau. Unter der oberen Haube,
die eine goldene Kugel, das Kreuz und einen Wetterhahn trug, waren jene Dachluken
zu erkennen, von denen Wolfert gesprochen hatte. Durch eine dieser Klappen hatte
sich Karl Bennefeld gezwängt mit der Absicht, sich vom Leben in den Tod zu stürzen.
    Die eckige
Turmuhr stand auf 8:50 Uhr. Elisa Bennefeld erwartete sie in 10 Minuten im Haus
der Staatsanwältin. Auf dem Weg dorthin schaute Norma beim Restaurant ›Zum Hafen‹
nach den Öffnungszeiten. Nach Luigis Ermittlungen hatte Angela hier ihren letzten
Abend verbracht. Vor 17 Uhr wäre niemand anzutreffen, konnte man dem Aushang entnehmen.
Auf der Hafenpromenade war eine Bank frei. Norma setzte sich und schickte eine Antwort
an Nina, die sich in der Nacht mit der dürftigen Nachricht gemeldet hatte: ›Paris
ist irre, Colette wie Freundin! Bin happy. Alles gut! ‹
    Norma hatte
soeben auf ›Senden‹ gedrückt, als Lutz anrief. Er bestellte Grüße von Ann-Marie
und Sara, die ihre Reise fortgesetzt hatten. »Die Mädchen waren hingerissen von
diesem Schauspieler.«
    »Wernhardt
ist attraktiv, keine Frage. Übrigens bin ich in Schierstein. Elisa Bennefeld möchte
mehr über die Todesumstände ihrer Stieftochter erfahren.«
    »War es
womöglich kein Unglück?«, fragte er beunruhigt. Er kannte die Zeitungsartikel über
den Vorfall.
    »Noch stehe
ich ganz am Anfang. Was machen deine Verhandlungen mit dem Weingut Adebar?«
    Sie hörte
ein unwilliges Grummeln. »Frau Medzig wünscht sich Bedenkzeit, was ich akzeptieren
muss. Es ist ein Riesenschritt, das Heim aufzugeben.«
    »Sind dir
selbst Zweifel gekommen?«
    Er lachte
leise. »Die Zeit zum Nachdenken schadet mir jedenfalls nicht. Grüße bitte Frau Medzig,
falls du sie triffst. Und, Norma, wenn ich dir irgendwie helfen kann

Weitere Kostenlose Bücher