Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
aufmerksam –, ja, ich war mir sogar sicher, dass er mich vorhin hatte küssen wollen. Kurz bevor Cassie heimkam.
Es war mir egal, dass seine Schwester komisch und unfreundlich zu mir war oder dass Ryan und seine Familie ziemlich wahrscheinlich Opfer einer Sekte waren. Es war mir egal, dass Connor Ryan nicht leiden konnte – irgendwann würde er schon mit ihm klarkommen. Wichtig war mir nur, dass die Prüfungen bald vorbei wären und dass der Sommer endlich kam und dass der großartigste Typ der Welt morgen den Tag mit mir verbringen würde. Nur er und ich.
Ich legte meinen fröhlichsten und ausgelassensten Musikmix ein und begann, meinen Rucksack auszupacken. Meine Schulbücher stapelte ich ordentlich auf dem Schreibtisch. Ganz unten in dem Stapel steckte ein Buch, das ich nicht kannte, stellte ich fest. Ich musste aus Versehen eines von Ryan eingepackt haben. Auf dem Cover war ein blauer Planet abgebildet, der im schwarzen Weltraum schwebte. Um ihn herum kreisten drei kleine Monde. Ganz oben der Titel: Die Reise nach Eden . Ich lächelte. Ryan musste sich über das Eden-Projekt informiert haben. Gerade als ich das Buch weglegen wollte, sah ich den Autorennamen auf dem Cover: Connor Penrose . Connor würde sich totlachen, wenn ich ihm das erzählte. Ich drehte das Buch um und las den Rückentext.
Als Teenager verbrachte ich unzählige Nächte hinter meinem Teleskop und starrte in die Unendlichkeit des Weltalls. Den Planeten außerhalb unserer Galaxis konnte ich noch nie besonders viel abgewinnen; ferne Planetensysteme ließen mich kalt. Wofür ich mich aber schon immer lebhaft interessierte, waren die Planeten unseres eigenen Sonnensystems: Saturn mit seinen seltsamen Ringen, Jupiter mit seinen vielen Monden, Mars mit seinem betörenden roten Schein. Mein großer Traum war es, eines Tages einen Planeten zu entdecken, der ähnliche Lebensbedingungen bietet, wie wir sie hier auf der Erde haben. Und dann, einfach so, wurde mein Traum wahr: Ich war zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und stieß auf einen kleinen, nur verschwommen wahrnehmbaren Planeten. Einen Planeten mit einer Sauerstoffhülle und Wasser. Einen Planeten, auf dem es Leben gab. Der Rest ist Geschichte …
Connor Penrose, 11. Januar 2081
Mein Herz hämmerte hart gegen meine Rippen. Eden. Connor. 2081 . Nichts von alledem ergab einen Sinn.
Adrenalin schwappte durch meine Adern, als ich das Buch in der Mitte aufschlug, wo sich die bunt und auf Hochglanzpapier gedruckten Fotoseiten befanden. Das erste Bild zeigte ein Baby, das wie alle Babys aussah. Auf der nächsten Seite war das Baby bereits ein Kleinkind. Niedlich, aber noch immer ohne individuelle Gesichtszüge. Ich blätterte weiter.
Und dort strahlte mir ein begeistert in die Kamera lachender Connor entgegen. Mein Connor. Mir wurde schwindelig. Die Bildunterschrift lautete: Perran-Schule 2012 . Es war das Foto, das ich vor zwei Tagen mit meinem Handy geschossen hatte. Ich erkannte es ganz klar wieder: Connor in seinem vollgekritzelten Schuluniformhemd, von der einfallenden Sonne angestrahlt.
Ich sprang auf und zog hektisch mein Handy aus der Tasche. Dann ging ich die neuesten Fotos durch und fand tatsächlich drei, die ich am Freitag aufgenommen hatte. Jedes einzelne hielt ich gegen das im Buch abgebildete Foto. Das letzte in der Serie passte.
Was sollte das? Entweder träumte ich das alles, oder ich hatte gerade einen Nervenzusammenbruch. Verstört blickte ich wieder auf das Buch und versuchte, ruhig zu atmen und klar zu denken. Ryan besaß also ein Buch mit dem Titel Die Reise nach Eden , das von einem Connor Penrose geschrieben und im Jahr 2081 veröffentlicht würde – in genau 69 Jahren. Und dieses Buch enthielt ein Foto, das bislang nur in meinem Handy existierte. Verlor ich jetzt komplett den Verstand?
Ich rannte zum Spiegel. Das Mädchen mit den wilden Locken und den hellen Augen, das mir entgegenstarrte, war immer noch ich. Kurz hatte ich erwartet, eine 85-jährige Frau vor mir zu sehen. Als ich mich jedoch als mich selbst wiedererkannte, hatte ich das Gefühl, auf einen Schlag 69 Jahre jünger zu sein.
Ich wählte Connors Nummer. Bereits beim ersten Klingelton nahm er ab.
»Es tut mir leid«, sagte er, bevor ich mich überhaupt melden konnte. »So was kommt nicht wieder vor. Ehrenwort.«
»Was?«, fragte ich. »Connor – ich bin’s. Eden.«
»Das weiß ich doch, Eden«, stöhnte Connor. »Ich entschuldige mich gerade für heute Nachmittag.«
»Connor,
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