Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
überzeugt gewesen von dieser Idee – ein Baum war das perfekte Symbol für das, was uns verband: Er stand für die Rettung der Welt, für Ryans Mission. Außerdem würde das kleine Pflänzchen irgendwann ähnlich groß wie die Entfernung, die uns bald trennte. Jetzt aber, da ich das sperrige Ding transportieren musste, schien seine einzige – und ganz reale – Bestimmung, mich gezielt so zu piesacken, dass ich möglichst zerrupft aussah, wenn ich endlich bei Ryan ankam: Mein Haar war bereits komplett zerzaust, meine Arme schwarz vor Blumenerde, und ich spürte, wie mir der Schweiß den Rücken hinunterrann.
»Wow, ein laufender Wald!« Ryan lachte bei meinem Anblick. »Was ist das denn? Kommst du, um mich mit meiner eigenen Geschichte zu schlagen? Um mir ein für alle Mal zu beweisen, dass man seinem Schicksal nicht entkommen kann?«
»Äh. Hilfe?« Ich kämpfte mit einer Haarsträhne, die sich in einem Ast verfangen hatte. Als Ryan mich sanft entknotete und mir das Bäumchen abnahm, war die Luft wieder von Zitronenduft erfüllt.
»Also was wird das, wenn es ausgewachsen ist?«, fragte er, und sein Lächeln zauberte ein Funkeln in seine Augen.
»Ein Apfelbäumchen«, sagte ich ernst. »Mein Geschenk für dich. Der Gärtner in der Baumschule hat mir garantiert, dass das Bäumchen über hundert Jahre alt wird und jedes Jahr einen Haufen saftiger Äpfel trägt. Ich dachte, wir pflanzen es heute zusammen … und wenn du dann nach Hause kommst …« Ich musste schlucken, weil die Worte drohten, mir im Hals stecken zu bleiben. »… Wenn du dann nach Hause kommst, ist das Bäumchen immer noch hier. Nur dass es dann ein alter, knorriger Apfelbaum ist, auf dem tonnenweise Äpfel wachsen. Vielleicht denkst du ja dann ab und zu mal an mich.«
»Ist es eine einheimische Sorte?«, fragte Ryan und stellte den Schössling vorsichtig auf den Boden. Er strahlte mich glücklich an. Mit reiner, purer Begeisterung, die so gar nicht zu meiner mehr schlecht als recht hinter einem zittrigen Lächeln verborgenen Traurigkeit passte.
»Komm, dann lass uns zusammen einen Platz im Garten aussuchen.«
Jetzt, da ich nicht mehr in ein Dickicht aus Zweigen verheddert war, sah ich, dass das einzige Auto in der Auffahrt Ryans war.
»Sie haben einen Anwaltstermin in der Stadt«, erklärte Ryan, der meinem Blick gefolgt war. »Wird wohl länger dauern.«
Er zwinkerte mir komplizenhaft zu, doch ich reagierte gar nicht mehr darauf. Mittlerweile konnte ich seine Plänkeleien nämlich einordnen und wusste: Sie waren völlig unschuldig und ohne jeden auch noch so kleinen Hintergedanken.
Ryan trug den Schössling auf einer Schulter, während wir über das weitläufige Grundstück wanderten.
»Wie lief es mit Miranda?«, fragte er.
»Wie erwartet«, seufzte ich. »Sie ist zutiefst enttäuscht von mir. Blabla. Was sonst?«
Ryan lachte.
»Und über dich hatte sie auch nicht viel Gutes zu sagen, dass du’s nur weißt!«, fügte ich grinsend hinzu.
»Immerhin hat sie dir aber erlaubt, den Tag heute mit mir zu verbringen, oder?«
»Sie ist arbeiten. Sie hat keine Ahnung, dass ich hier bin.« Ich hielt ihm mein Handy vor die Nase. »Ich hab’s ausgeschaltet. Sie kann mich also nicht mal erreichen und es mir verbieten.«
Ryan holte eine Schaufel und begann, mitten auf dem Rasen ein tiefes Loch zu graben. Seine Armmuskeln traten hervor und spannten sich, während er anscheinend mühelos Erde aushob und neben dem Loch aufhäufte. Als Ryan das Apfelbäumchen in das Loch setzen wollte, hielt ich ihn auf. Ich hatte nämlich eine Idee.
»Warum graben wir unter seine Wurzeln nicht etwas ein?«
»Was denn? Eine Leiche vielleicht?«
»Wie wär es mit einer Zeitkapsel?«, schlug ich vor.
»Und womit befüllen wir sie?«, fragte Ryan.
»Wir haben in der Schule mal eine gebastelt. Im Rahmen des einhundertjährigen Schuljubiläums«, erzählte ich ihm. »Sie soll noch weitere hundert Jahre eingebuddelt bleiben. Wir haben alles Mögliche reingelegt: Schlagzeilen aus Tageszeitungen, ein Foto aller Lehrer, eines von der gesamten Schülerschaft, eine Schuluniformkrawatte und die Schülerzeitung.«
»Wir könnten Dinge vergraben, die etwas mit uns zu tun haben«, überlegte Ryan. »Dinge, die aussagen, wie es im Jahr 2012 ist, du und ich zu sein.«
»Eine Freundschaftskapsel über die Zeiten und Welten«, ergänzte ich. »Mit Dingen, die uns jetzt und hier verbinden. Das gefällt mir.«
»Hast du eine Idee, was das sein könnte?«
Ich nickte. »Hast
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