Edens brisantes Geheimnis
die Bilder, und fast schien es, als lächle sie schwach. „Was für ein hübscher Junge."
„Er ist gut in der Schule. Schreibt nur Einsen und Zweien."
„Und was ist mit Sport?"
„Er spielt Fußball und Baseball. Shortstop." Sie blickte auf den Sarg. „So wie Eddy." Ihr Bruder hatte die gleiche wichtige Position zwischen dem zweiten und dem dritten Base auf dem Feld gespielt.
„ Du hast es richtig gemacht", fuhr ihre Großmutter fort. „ Es war gut, Chicago zu verlassen und dein Kind zu beschützen. Aber nun haben sich die Dinge geändert."
„Was meinst du?"
„Eddy ist tot. Und dein Sohn Josh ist der einzige männliche Erbe."
„Erbe wovon?" Ein kühler Schauer lief Eden über den Rücken, als sie die Andeutung eines Lächelns auf dem Gesicht ihrer Großmutter sah. „Was willst du mir damit sagen?"
Sophia sagte: „Es tut mir Leid."
Eine kleine Nebentür flog auf. Gus Verone schlenderte herein. Trotz seiner über siebzig Jahre wirkte er immer noch stark und vital. Mit seinen breiten, geraden Schultern sah er aus, als könnte er es mit einem Löwen aufnehmen. Er blieb vor Eden stehen, versperrte ihr den Fluchtweg.
Ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten, äußerte er: „Ich will den Jungen."
2. KAPITEL
Hereingelegt! Sie war hereingelegt worden! Edens letztes Band des Vertrauens, das zu ihrer Großmutter Sophia, war zerrissen. Eden besaß keine Verbündeten mehr, keine Unterstützung, niemanden, an den sie sich wenden konnte. Nun stand sie völlig allein, am Sarg ihres Bruders, vor ihrem Großvater, dem Oberhaupt der Familie.
Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt sie seinem Blick stand. Niemals würde sie ihm gestatten, ihr den Sohn zu nehmen. Niemals!
„Wo ist er?" fragte Gus Verone.
„Bei Freunden in Denver." Nicht einmal ihre Großmutter kannte diese Freunde. Für den Augenblick war Josh sicher.
„Ruf sie an."
„Das geht nicht. Sie sind zum Campen in den Bergen. Es gibt keine Möglichkeit sie zu erreichen."
„Während der Schulzeit? Du erlaubst deinem Sohn, in der Schulzeit zum Zelten zu fahren?"
„Normalerweise nicht. Aber er hat Geburtstag."
„Nach der Beerdigung wirst du mir helfen, Kontakt mit diesen Freunden aufzunehmen. Ich will mit meinem Enkel sprechen."
Niemals! „Ich werde es versuchen", log sie.
Eden wusste, offener Widerstand war zwecklos. Nur wenn sie ihn überlistete, hatte sie eine Chance, die Pläne ihres Großvaters zu vereiteln. Es gab keine andere Wahl. Sie würde alles tun, um ihren Sohn zu beschützen.
Eden nahm ihrer Großmutter die Fotografien wieder ab. Mit einem falschen Lächeln hielt sie sie ihrem Großvater hin. „Das ist mein Sohn Josh."
Einen Moment lang, während ihr Großvater die Bilder betrachtete, erschien fast so etwas wie ein sentimentaler Ausdruck auf seinen markanten Zügen. „Er sieht aus wie dein Vater.
Und dein Bruder."
Beide waren tot. Eden stählte sich gegen die natürliche Zuneigung zu diesem Mann, der sie als Kind auf dem Schoß gehabt, ihr Märchen vorgelesen hatte und mit ihr im Zoo gewesen war. Sie konnte es sich nicht erlauben, ihn zu lieben.
Als Gus aufblickte, bebte seine Unterlippe. Er breitete die Arme aus. „Komm zu mir, mein Kind!"
Sie ließ sich von ihm umarmen und war sich darüber im Klaren, dass sie sich auf einen Tanz mit dem Teufel einließ. Und doch tat es ihr seltsamerweise gut, dass er sie annahm.
„Als ich von Eddys Tod hörte, dachte ich, ich würde sterben", flüsterte er ihr ins Ohr.
„Ich weiß." Sie hatte das Gleiche empfunden. Tränen traten ihr in die Augen. Eden rang um Fassung, wusste, sie durfte sich nicht gehen lassen. Die Zukunft ihres Sohnes war wichtiger als ihre Trauer. Deshalb musste sie ihrem Großvater entkommen.
Er hielt sie auf Armeslänge von sich, betrachtete prüfend ihr Gesicht. „Es hat sich vieles geändert bei den Verones."
Eden glaubte ihm nicht. Dann wäre Eddy nicht ermordet worden.
„Du wirst es selbst sehen. Wir machen jetzt legale Geschäfte. Ich habe einen Weinhandel eröffnet. Dein Sohn wird bei uns sicher sein."
So wie Eddy? dachte sie grimmig, lächelte aber. „Es ist gut, wieder zu Hause zu sein."
„So liebe ich dich!" Gus schlug ihr auf die Schulter und lächelte breit. Er erinnerte sie an ein Raubtier, das mit seiner Beute spielte, bevor es sie zerfleischte. „Komm mit mir." Er legte den Arm um ihre Hüfte, führte sie zur Tür und aus dem Raum. „Ich habe ein paar schlechte Neuigkeiten für dich", setzte er hinzu.
Sie wappnete sich.
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