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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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Brand aufmerksam zu machen. Irgendwo ertönte eine Feuerglocke.
    Leyla nahm das alles nur vage wahr. Sie lag auf der Seite und spürte, dass sie blutete. Trotz der Hitze, die von dem Feuer ausging, wurde ihr immer kälter. Sie fühlte, wie die Kraft sie verließ und das Leben aus ihr herausrann.
    Mit einem Mal sah sie eine Gestalt vor sich auf dem Gehsteig. Der Mann stand da, ohne die Flammen zu fürchten, die schon an seinem dunklen Umhang leckten. Er hielt eine Sense in der Hand. Sein Gesicht war von einer Kapuze verdeckt.
    Leyla hob den Kopf. Diese kleine Bewegung kostete sie unendliche Mühe.
    Der Mann mit der Sense zog seine Kapuze nach hinten, und Leyla erblickte einen blanken Totenschädel. Nur die Augen leuchteten und waren voller Leben.
    »Nun, Leyla?«, sprach er sie an, und seine Stimme ließ sie frösteln. »Jetzt ist es auch bei dir so weit. Dein Herr hat dich behütet, das Antiquariat hat dich beschützt. Aber nichts auf der Welt ist ohne Gefahren …«
    »Ich weiß«, antwortete Leyla schwach. »Ich dachte, ich könnte Risiken vermeiden, indem ich nur von Abenteuern lese … Ich bin keine mutige Katze … im Gegenteil … ich … bin sehr feige …« Das Sprechen fiel ihr immer schwerer. »Ich habe Angst vor dem Tod. Ich … will nicht sterben … Du bist der Sensenmann, ich habe dich schon auf Bildern gesehen …«
    »Aber Leyla, du weißt doch, wie das bei Katzen ist«, meinte der Sensenmann milde. »Und ich bin nicht der Schlächter, vor dem sich die Katzen in ganz London fürchten. Ich bin dein Freund, jedenfalls im Moment noch. Wir werden uns noch öfter begegnen, Leyla!«
    Sein Tonfall veränderte sich, wurde feierlich:
     
    »Neun Leben wurden dir gegeben,
    daraus kannst du dein Schicksal weben.
    Neune nanntest du dein Eigen,
    eines muss ich jetzt abzweigen.
    Nutz die anderen mit Bedacht,
    du hast der Leben nur noch acht.«
     
    Leyla starrte ihn an und sah zu, wie sich seine Umrisse auflösten und er verschwand. Sie war verwirrt, spürte aber gleichzeitig, wie ihre Kräfte zurückkehrten. Sie würde nicht sterben …
    Sie bemühte sich, auf die Beine zu kommen. Es klappte, obwohl sie etwas wackelig war und ihre Bauchwunde wehtat. Doch die Blutung hatte nachgelassen und die Schmerzen waren auszuhalten. Sie humpelte auf dem Gehsteig entlang und versuchte, den vielen Beinen auszuweichen. Einige Menschen bemühten sich, mit Wassereimern den Brand zu löschen, andere wollten einen Blick ins Innere des Antiquariats erhaschen – in der Hoffnung, etwas Wertvolles zu finden, das sie mit nach Hause nehmen konnten. Die meisten Leute aber standen nur da, gafften und erfreuten sich am zerstörerischen Werk des Feuers.
    Jetzt rückte auch die Feuerwehr an. Uniformierte Männer schoben einen dampfgetriebenen Spritzenwagen in die Straßenmitte und rollten die Schläuche aus. Zum Glück befand sich ein unterirdischer Wasserbehälter ganz in der Nähe, von dort aus konnte man Wasser entnehmen und in den Schlauch pumpen. Die Männer arbeiteten schnell und konzentriert, und schon nach wenigen Minuten schoss ein starker Wasserstrahl aus der Spritze und nahm den Kampf gegen das Feuer auf.
    Leyla betrachtete das Geschehen mit halb geschlossenen Augen. Sie konnte noch immer nicht begreifen, was da gerade passierte. Vielleicht war alles doch nur ein böser Traum?
    Das Antiquariat brannte. Der Platz, an dem sie so viele schöne Stunden und Tage verbracht hatte und an dem sie sich sicher gefühlt hatte, wurde erbarmungslos zerstört. Die Flammen fraßen die Regale, verschlangen die Bücher und Zeitschriften und machten auch vor den Tischen und Hockern nicht halt. Alles, wofür Mister Carrington gelebt hatte, wurde innerhalb kürzester Zeit vernichtet!
    Mister Carrington! Leyla zuckte beim Gedanken an ihren Herrn zusammen. Wo war er? Hatte er sich rechtzeitig vor dem Feuer in Sicherheit bringen können? Oder war er während seiner Arbeit eingeschlafen und durch den Rauch erstickt? Hatten die Flammen ihn erfasst und getötet?
    Leyla maunzte leise vor sich hin. Wenn sich Mister Carrington jetzt noch im Antiquariat aufhielt, war er verloren!
    Mit großem Getöse brach das Dach herunter. Brennende Balken fielen auf die Straße, es grenzte an ein Wunder, dass keiner der Schaulustigen getroffen wurde. Unermüdlich sprudelte das Wasser aus der Feuerwehrspritze, doch es schien gegen die Flammen kaum eine Wirkung zu zeigen. Noch immer loderten die roten und gelben Feuerzungen, ungebrochen in ihrer Zerstörungswut –

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