Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
»Wir Katzen müssen doch zusammenhalten. Jedenfalls gegenüber Feinden wie den Tierfängern.«
»Und dem Schlächter«, ergänzte Algernon.
»Ja, der Schlächter«, stimmte der Graue zu und schien etwas zugänglicher zu sein, »der macht uns allen Sorgen. Wen killt er als Nächstes? Ich kann nicht mehr richtig schlafen, seit der Schlächter in London umgeht.«
»Es wird höchste Zeit, dass man ihm das Handwerk legt«, erwiderte Leyla. »Aber jetzt wieder zu den Tierfängern. Kannst du uns hinführen? Das wäre echt nett von dir.«
Der Graue sah ihr einige Sekunden lang in die Augen. »Weil du es bist«, meinte er schließlich. »Kommt mit, ich zeige euch, wo die gefangenen Katzen hingebracht werden.«
Edgar hätte die drei gern noch länger beobachtet, doch er musste an den Raum mit den Käfigen denken. Eine unbekannte Kraft zerrte an ihm und zog ihn zurück. In einem Wahnsinnstempo sauste er durch die Luft, diesmal rückwärts – und ehe er es sich versah, befand er sich wieder im Käfig und war mit seinem Katzenkörper vereint. Jede Bewegung war mühsam, seine Glieder schienen bleischwer geworden zu sein. Seine Sicht war unscharf, er konnte nur die Umrisse der anderen Käfige erkennen – und diese schwankten hin und her, so als würde sich Edgar auf einem Schiff befinden. Auch die Farben waren anders. Sie leuchteten intensiver und schienen tief in sein Auge zu dringen, bis sie seine Seele berührten. Die Farben waren in Bewegung, sie begannen zu tanzen und zu kreisen und machten den schwarzen Kater ganz wirr im Kopf. Er war todmüde und doch hellwach und spürte, wie er allmählich das Gefühl für die Umgebung verlor.
Es folgte eine Reihe bunter, sinnloser Träume, eine rasche Abfolge schneller Bilder, die offenbar in seinem Gedächtnis gespeichert waren. Danach kam eine Tiefschlafphase, die fast den ganzen Tag andauerte. Am Abend, als Edgar zu sich kam und sich aufrappeln wollte, geschah es erneut, dass sich seine Seele von dem Körper trennte und das Gebäude verließ.
Diesmal war es draußen dunkel, nur der Mond schimmerte matt zwischen den Wolken hindurch. Trotzdem konnte Edgar alles genau sehen. Und wieder konnte er seinen Flug mit Gedankenkraft steuern.
Er erinnerte sich an den grauen Kater. Ob dieser Leyla und Algernon tatsächlich zu dem Gebäude geführt hatte, in dem Professor Murphy sein Unwesen trieb? Konnten sie dem Grauen vertrauen?
Schwupps – wieder ein rasender Flug durch die Nacht. Unter Edgar tauchten alte Häuser auf, sie lehnten teilweise windschief aneinander. Eine enge Gasse voller Abfälle. Und da war auch der graue Kater. Er verharrte in Lauerstellung, da er sich offenbar gerade auf der Jagd befand. Er starrte konzentriert auf einen Punkt – und merkte nicht, dass sich von hinten jemand näherte.
Lautlos schlich der schwarze Panther durch die Gasse. Jede Bewegung war geschmeidig. Die gelben Augen glühten im Dunkeln. Er war jetzt direkt hinter dem Grauen. Blieb stehen. Holte mit der Pranke aus zum tödlichen Schlag. Dann ging alles sehr schnell.
Edgar sah ungläubig zu, was unter ihm passierte. Der graue Kater lag leblos auf dem Boden, die Pranke des Panthers drückte ihn nieder. Etwas Helles, leicht und luftig wie ein Schmetterling und sanft in allen Farben leuchtend, löste sich aus dem Kopf des Grauen und stieg schwebend in die Höhe. Der Panther schnellte nach vorne und verschlang das leuchtende Etwas mit einem einzigen Biss.
Die Seele, dachte Edgar bestürzt. Er hat die Seele des Grauen geschluckt …
Doch das Schauspiel war noch nicht zu Ende. Kaum hatte der Panther die Seele gefressen, veränderte sich der tote Leib der Katze. Er wurde schwarz … und ein Schatten stand auf. Er hatte die Form einer Katze und bewegte sich auch so. Die Augen leuchteten fahl. Die Schattenkatze setzte sich hin und wartete.
Der Tierkörper war wieder grau – aber nicht lange. Erneut veränderte sich seine Farbe und eine zweite Schattenkatze stieg aus dem toten Leib. Danach eine dritte. Alle saßen reglos da, die Augen auf den Panther gerichtet, als erwarteten sie seine Anweisungen.
Und so war es auch.
»Drei jämmerliche Restleben«, knurrte der Panther. »Ich hatte auf mehr gehofft. Na gut, was soll’s! Ihr seid meine Diener und werdet mir gehorchen. Habt ihr mich gehört?«
»Jawohl, Meister«, wisperten die Schattenkatzen im Chor.
»Eure Aufgabe ist es, euch in der Nähe der Menschen aufzuhalten«, sagte der Panther. »Seid zur Stelle, wenn jemand stirbt! Wartet auf den
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