Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
der Tischkante das Gleichgewicht und plumpste auf den Boden.
»Hast du dir wehgetan?«, fragte Algernon besorgt. Er landete mit einem Sprung neben Edgar.
»A-alles in O-ordnung«, stotterte Edgar. »Mir ist nur ein bisschen schwindelig. Alles dreht sich – und meine Beine gehorchen mir nicht so wie sonst.«
»Das gibt sich«, ertönte eine Stimme über ihnen.
»Wer ist das?«, fragte Algernon und blickte hoch.
»Äh, das ist Sue«, erklärte Edgar. »Ich habe mich ein wenig mit ihr angefreundet.« Er zögerte. »Könntet ihr ihre Käfigtür auch aufmachen? Ich glaube, sie hat schon so viele Spritzen bekommen, dass sie nicht mehr viele verträgt …«
Leyla hüpfte zu Sues Käfig und beschäftigte sich mit den Klemmen. Im Nu hatte sie die Sperren gelöst und konnte das Gitter hochschieben.
»Komm raus, Sue!«
Sue zögerte. »Sollen wir wirklich den Käfig verlassen?«, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu den anderen. »Aber was passiert dann mit uns? Wir haben ja kein Zuhause …«
»Wir?«, fragte Algernon verdutzt. »Ich sehe nur eine gestreifte Katze …«
»Sue redet etwas komisch«, vertraute Edgar ihm im Flüsterton an. »Aber sonst ist sie ganz in Ordnung, glaube ich.« Laut sagte er: »Du kommst mit uns, Sue! Wir sind ab jetzt dein Zuhause!«
»Das müssen wir uns noch überlegen«, antwortete Sue zögernd.
»Überlegen kannst du nachher«, drängte Edgar. »Jetzt komm schon raus, Sue! Wir haben nicht ewig Zeit.«
»Genau«, stimmte Leyla ihm zu. Ihr Blick wanderte zu den anderen Käfigen. »Am liebsten würde ich alle Türen öffnen … Was meint ihr?«
»Hm. Gefährden wir damit nicht die ganze Aktion?«, wandte Algernon ein. »Was ist, wenn jemand kommt? Dann sind wir erledigt. Und viele Katzen scheinen nicht in der Lage zu sein zu fliehen. Wir müssen so schnell wie möglich von hier weg.«
»Nein.« Leylas Tonfall klang scharf. Ihre blauen Augen blickten ihn vorwurfsvoll an. »Ich werde jetzt noch ein paar Türen öffnen, sonst habe ich mein Leben lang ein schlechtes Gewissen.« Und schon war sie auf den nächsten Tisch gesprungen und machte sich an einem weiteren Käfig zu schaffen.
Inzwischen versuchte Edgar, Sue aus ihrem Gefängnis zu locken, denn die getigerte Katze hatte sich nicht von der Stelle gerührt. »Komm endlich, Sue! Denk dran, du musst Leyla von Mister Silver erzählen. Unbedingt. Sie kennt ihn nämlich auch.«
»Silver, Silver, Silver«, wiederholte Sue wie in Trance, aber sie machte endlich einen Schritt in Richtung Tür. »Der Mann ohne Schatten. Wir gruseln uns …«
»Na, komm, Schöne«, sagte Algernon ungeduldig, »Noch zwei Schritte, dann hast du’s geschafft und bist frei. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben, wir sind ja nicht der Schlächter, haha.«
Sue schlüpfte aus dem Käfig und sprang etwas ungeschickt auf den Boden.
Leyla hatte jetzt den dritten Käfig geöffnet und zischte die Katze darin an: »Nutz deine Chance und komm raus! Du bist frei!« Das zerzauste Tier erhob sich mühsam und schaute Leyla verwirrt an.
»Komm raus, Belinda!«, rief auch Edgar von unten. »Das sind meine Freunde, vor ihnen brauchst du dich nicht zu fürchten.«
Belinda fasste sich ein Herz, schlüpfte aus dem Käfig und folgte Leyla, die auf den Tischen entlangbalancierte, um die nächste Tür zu öffnen.
Algernon wurde ganz nervös. »Lasst uns endlich von hier verschwinden«, drängte er.
»Gleich«, murmelte Leyla. Sie öffnete noch einige weitere Käfige, dann sprang sie erschöpft auf den Boden.
»Ich … kann nicht mehr. Es sind so viele! Ich würde ja gern alle befreien, aber …«
»Du hast Schmerzen«, stellte Sue fest. »Hat dich auch Professor Murphy behandelt? Hat er dir den Bauch aufgeschlitzt?« Sie roch an einem Blutstropfen, der auf den Boden gefallen war.
»Nein, es war ein Unfall«, erwiderte Leyla.
»Du kannst ihr später alles erzählen«, meinte Algernon ungeduldig. »Jetzt kommt. Ich möchte nicht, dass man uns erwischt.«
Zu viert verließen sie den Raum mit den Käfigen. Edgar warf einen Blick zurück. Einige der befreiten Katzen saßen apathisch auf den Tischen oder auf dem Boden und schienen noch nicht begriffen zu haben, was passiert war. Belinda schien unschlüssig, ob sie den anderen folgen oder im Raum bleiben sollte.
»Komm doch«, rief Edgar ihr zu.
Sie machte zwei Schritte vorwärts und kehrte dann wieder um.
Edgar seufzte, er hatte es zumindest versucht.
»Ich höre Schritte«, sagte Algernon alarmiert. Er blieb
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