Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
innerlich.
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Eine halbe Stunde lang geschah gar nichts, außer, dass Mister Silver einmal aufstand und sich reckte. Er sah wieder auf die Uhr und schüttelte stumm den Kopf.
Wenig später ließ ein lautes Maunzen die Katzen zusammenfahren.
Sie drehten sich gleichzeitig um.
In der Tür stand eine fremde schwarze Katze. Aber irgendwas war merkwürdig an ihr … Sie war leicht und schmal gebaut und wirkte fast schwerelos. Ihr Fell war nur eine dunkle Fläche. Sie hatte auch keine Schnurrhaare. Lautlos betrat sie den Raum. Sie ähnelte eher dem Schatten einer Katze als einem echten Tier.
Monty Silver wandte sich zu ihr. »Und? Warst du erfolgreich?«
»Ja, Meister«, antwortete die Katze mit menschlicher Stimme. Es hörte sich an, als spräche ein Kind. »Ich habe deinen Auftrag erfüllt.«
»Du bringst mir also eine Menschenseele?«
»So ist es, Herr.«
»Dann komm her zu mir.«
Die Katze gehorchte und setzte sich neben dem Hocker auf den Boden. Mister Silver stand auf, holte einige Holzklötze unter dem Tisch hervor und heizte den Ofen an. Er warf Wachsklötze in den Kupferkessel. Der Duft nach Honig verstärkte sich. Nach einiger Zeit nahm Mister Silver einen langen Holzlöffel und rührte damit im Kessel herum. Das Wachs war inzwischen geschmolzen und flüssig. Mister Silver ging in die Knie. Die Katze lief vertrauensvoll zu ihm, als würde sie Zärtlichkeiten erwarten. Doch Mister Silver packte sie am Genick und hob sie hoch. Er stand auf, griff nach einer bereitliegenden Zange und umfasste damit ihren Hals. Einen Moment lang baumelte die Katze in der Luft. Ihre Augen leuchteten rot auf. Dann versenkte Mister Silver das Tier in dem Kessel mit flüssigem Wachs. Es blubberte.
Leyla hatte nur mit Mühe einen Schreckenslaut unterdrücken können. Edgar hatte das Gefühl, innerlich zu Eis zu erstarren. Und Algernon kämpfte gegen den Impuls an, sich zu übergeben.
Die Katze blieb nur wenige Sekunden im Kessel. Dann holte Mister Silver sie wieder heraus. Das Tier war jetzt völlig mit Wachs überzogen. Er setzte es auf ein Holzbrett. Langsam erkaltete das Wachs und wurde starr und fest. Die Katze sah nun genauso aus wie die unzähligen anderen Wachsfiguren im Nebenraum.
Mister Silver wartete einige Minuten, dann hob er die neue Figur auf und trug sie zu den anderen.
»Nichts wie weg!«, zischte Leyla ihren beiden Freunden zu. »Lasst uns schleunigst von hier abhauen!«
Das brauchte sie den anderen nicht zweimal zu sagen. Blitzschnell sausten die drei Katzen durch den Keller und sprangen durch das Loch im Fenster ins Freie.
»Na endlich«, sagte Sue, die an der Hausecke gewartet hatte. »Wir haben uns schon Sorgen gemacht, dass Mister Silver euch erwischt hat.«
»Oh Sue«, stöhnte Leyla. »Gut, dass du eben nicht dabei warst. Es war schrecklich, was Mister Silver getan hat!«
E dgar konnte hinterher nicht mehr sagen, wie er nach Hause gekommen war. Während des ganzen Rückwegs musste er daran denken, wie Mister Silver die Katze in Wachs getaucht hatte. Nie im Leben würde er diesen grässlichen Moment vergessen.
Als sie durch das Kellerloch schlüpften, graute bereits der Morgen. Alle vier Katzen hatten Hunger, aber keine von ihnen hatte Lust und Energie, auf die Jagd zu gehen. Sie mussten sich erst von ihrem Erlebnis erholen.
Es fiel ihnen schwer, über das zu reden, was passiert war. Leyla machte schließlich den Anfang.
»Also … Die Katze, die wir gesehen haben, war keine echte Katze. Oder seid ihr da anderer Ansicht?«
»Es war eine Schattenkatze«, stimmte Edgar ihr zu. »Sie ist aus einem der Restleben entstanden, die das Opfer des Panthers noch hatte. – Trotzdem war es gruselig mitzuerleben, wie sie in Wachs getaucht wurde.«
»Sie stand im Dienst von Mister Silver«, fuhr Leyla fort. »Und sie hat eine Seele eines verstorbenen Menschen gefangen. Da wir die Seele nirgendwo bemerkt haben, nehme ich an, dass die Schattenkatze sie verschluckt hat. Ich vermute, dass Mister Silver die Katze in Wachs taucht, damit die Seele nicht entwischen kann. So sammelt er die Katzen, bis er 999 Seelen zusammen hat.«
»Um seine eigene Seele vom Teufel freizukaufen«, ergänzte Edgar.
Algernon schüttelte sich. »Das ist eine ganz schöne Horrorgeschichte, die ihr da erzählt«, murmelte er. »Meint ihr nicht, dass ihr übertreibt und eure Fantasie mit euch durchgegangen ist?«
Leyla funkelte ihn mit ihren blauen Augen an. »Aber
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