Edorei und die Tochter des Zauberers (German Edition)
allein.“ Er senkte traurig den Kopf. „Entschied, muss ich wohl sagen, denn seit ich unter Derdorans Einfluss geraten bin, ist mein Herz tot. Nur wenn ich schlafe, erinnere ich mich daran, wer ich war. Wenn ich schlafe“, seine Hand griff nach ihrer, „träume ich von dir.“
Zoes Herz kam aus dem Takt und sie war versucht, ihre Hand wegzureißen. Gleichzeitig war sie wie gelähmt und wünschte, er würde ihr ewig weiter diesen herrlichen Unsinn erzählen. Ihr dabei so in die Augen sehen. Die Haarsträhne aus dem Gesicht streichen. Seine Finger auf ihrer Wange, unter ihrem Kinn, an ihrem Hals. Wenn er sie jetzt küsste… Sie sah nur noch seine Lippen. Sie waren weder zu voll noch zu schmal. Sie waren ein Versprechen und Zoe wusste, dass sie halten würden, was sie versprachen. Sie wusste aber auch, dass diese Lippen sie für immer verderben würden. Jeder Mann müsste sich in Zukunft daran messen. Keiner würde dieses Maß erreichen. Wenn sie ihn jetzt küsste, war ihr Schicksal für immer besiegelt. Sie würde als alte Jungfer enden. Allein bis an ihr Lebensende. Aber konnte sie sich diese einmalige Gelegenheit entgehen lassen? In ihrem Bauch kribbelten tausend Ameisen. Alles in ihr schrie, sie sollte sich auf dieses Abenteuer einlassen. Nur die leise und beständig mahnende Stimme, die ihr davon erzählte, wie unglücklich sie dieser eine Kuss zwangsläufig machen musste, hielt sie zurück.
Edorei nahm ihr Gesicht in beide Hände und dann streiften seine Lippen ihre. Kurz, flüchtig, scheu. Sie spürte noch die schmetterlingsgleiche Berührung, als sie schon gar nicht mehr da war. Sie spürte sie nicht nur auf den Lippen, sondern mit jeder Faser ihres Körpers. Sie wollte mehr.
Ja.
Nein.
Mehr.
Stopp!
Sie wich zurück. Hier konnte sie sich weit mehr, als nur ein gebrochenes Herz holen. So sehr sie sich wünschte, sie könnte sich einfach fallen lassen, so sehr fürchtete sie sich davor. Die mahnende Stimme in ihrem Hinterkopf lief Amok. All das hier, war morgen schon vorbei. Morgen würde Edorei in seine Welt zurückkehren. Erinnerung sein. Nie mehr wieder kommen.
„Nein, Edorei. Nein. Bitte nicht!“ Sie sah ihm nicht in die Augen. Das konnte sie einfach nicht. „Mag sein, dass du glaubst, mich zu kennen. Aber ich kenne dich nicht. Alles was ich von dir weiß, ist, dass du nicht von dieser Welt bist. Und damit kann ich nicht umgehen.“
Seine Hand lag immer noch an ihrer Wange. Sie spürte seinen Daumen, der ihr Kinn mit sanftem Druck anhob, bis sie ihm schließlich in die Augen sehen musste.
„Mein Leben liegt in deiner Hand“, sagte er leise, beinahe traurig. „Ich weiß das. Es ist eine Gabe, die ich von den Elfen habe. Meine Mutter ist eine Elfe. Wir träumen unser Schicksal. Ich habe dich geträumt.“
„Vielleicht nur deshalb, weil ich die letzte Zutat für den Zaubertrank der Weisen Isbilde beschaffen werde.“
Wen versuchte sie da eigentlich zu überzeugen? Ihn oder sich selbst?
Ein spöttisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, fast so, als hätte er ihre Gedanken erraten.
„Du wirst es auch wissen, wenn es so weit ist“, erwiderte er geheimnisvoll. Zwischen ihnen war nun so viel Abstand, dass sie seine Nähe nicht mehr restlos verwirrte. Nur seine Hand hielt immer noch ihre, und wenn seine Finger über ihren Handrücken streichelten, breitete sich das Prickeln wie eine Welle in ihrem ganzen Körper aus.
„Prinz Edorei.“ Brendas kam mit einer Tasse dampfender Flüssigkeit aus der Küche. „Es sind nur ein paar Tropfen Nieswurzessenz, doch sie werden die Nacht überdauern und die Macht des Zauberers noch eine Weile dämpfen.“
Edorei schnupperte misstrauisch an der Tasse, dann fasste er sie mit beiden Händen und leerte sie in einem Zug.
Zoe starrte auf ihre verwaiste Hand. Sie spürte, wie ihr die Wärme und die Nähe Edoreis fehlten. Verzweifelt biss sie sich auf die Unterlippe. Das war nur der Vorbote des Schmerzes, der unweigerlich kommen würde. Unweigerlich, wie jedes Mal.
Was machen die Wichte bei Nacht? Zoe lag wach im Bett und lauschte dem gleichmäßigen Atem des Prinzen. Krazug, Brendas und Herdis hatten ihr versichert, dass Wichte niemals schliefen. Zumindest nicht so, wie Menschen und die meisten anderen Geschöpfe das taten. Es war allerdings kein Ton von ihnen zu hören. Nur der gleichmäßige Atem Edoreis.
Zoe legte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Mit weit offenen Augen starrte sie in die Dunkelheit. Wovon träumte
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