Ehe auf krummen Beinen
wie ein Pudding. Der Mann mit der Brille setzte seine Schildkröte auf den Fußboden, und sie marschierte quer durch das Zimmer. Sehr krank schien sie nicht zu sein. Vielleicht war sie bloß mit.
Dann kamen wir dran. Eva trug mich hinein. Sie bugsierten mich auf einen Tisch mit Steinplatte, auf dem es noch furchtbarer roch als im Treppenhaus. Ich wollte zur Tür hinaus, aber sie hielten mich fest, und auch Eva wandte sich gegen mich und half dem Mann im weißen Mantel. Ich weinte vor Enttäuschung.
Zuerst horchte er mit zwei Gummischlangen an mir herum. Dann schlang er mir heimtückisch eine Mullbinde zwischen die Zähne durch und zog. Ich mußte die Schnauze aufmachen und konnte ihn nicht beißen. Er kam mit einem Wattestab und pinselte mir im Hals herum. Ich hustete und spuckte erbärmlich. Dann spülte er mir mit einer gelben Flüssigkeit die Ohren aus. Sie rochen hinterher wie eine Apotheke. Zum Abschluß schnitt er mir noch die Krallen kürzer, weil ich einmal da war und es in einem hinging.
«Diese Tiere graben zu wenig», sagte er. «Stadthund. Reiner Domestikationsschaden.»
Laß mich mal in deinen Garten, dachte ich. Werde dir zeigen, ob ich zu wenig grabe.
Endlich durfte ich von dem Martertisch herunter. Aber kaum war ich unten, verschwand meine Furcht. Ich schüttelte mich und hüpfte fröhlich herum. Leider hatte ich mich zu früh gefreut. Eva dachte noch an meine Zähne, die sie nachsehen lassen wollte.
Sie fingen mich wieder ein, und ich landete zum zweitenmal auf dem unseligen Tisch. Nach dem Mullbindentrick sah er sich meine Zähne an.
«Rechts hat er eine Kleinigkeit Zahnstein», sagte er. «Kaum der Rede wert. Die Arbeitsseite ist links. Wieder das gleiche. Stadthund. Nagt zu wenig.»
Frag den Landgerichtsdirektor, dachte ich.
Der Tierarzt schabte ein bißchen an einem Zahn herum. Dann war endgültig Schluß. Als sie mich losließen, sprang ich mit einem Riesensatz vom Tisch und sprintete zur Tür. Dort wartete ich, bis Eva bezahlt hatte, bar und sofort. Recht geschah ihr.
Im Wartezimmer stieß ich mit der Schildkröte zusammen, die gerade auf der Rückreise war. Ich bellte sie an, und sie zog den zerknitterten Hals ein und guckte dämlich.
Zwei Tage mußte ich im Bett bleiben, bis ich mich von der Erkältung und den Strapazen erholt hatte.
Aber, wie gesagt — Ausdauer lohnt sich. Eines Abends, als Dan und Eva bei Landgerichtsdirektors eingeladen waren, kamen sie nach einem längeren Gespräch überein, Loni meine Frau werden zu lassen. Schließlich waren wir beide im heiratsfähigen Alter, und für den Fortbestand unserer Art mußte etwas getan werden. Man hatte erkannt, daß ich alle Tugenden eines echten Langhaardackels in mir vereinigte, von ein paar Untugenden abgesehen, aber die machten mich erst interessant. Sie wußten, daß ich Loni liebte und alles für sie tun würde. Warum sollte sie erst noch auf einen anderen Burschen warten, mit ihm dasselbe Theater durchmachen und nachher eine noch größere Pleite erleben.
Außerdem waren Wasingers ziemlich stark an Nachwuchs interessiert. Ich hatte es verschiedentlich gehört. Ich konnte stolz darauf sein, daß sie ihre behütete Loni nicht zu gut für mich befanden, und das war ich auch.
So wurde an diesem Abend im engsten Familienkreise unsere Hochzeit gefeiert. Wir waren die Hauptpersonen und durften mit am Tisch auf einem Stuhl sitzen. Jeder von uns bekam eine große Wurst, auch Pepi, obwohl er nicht heiratete. Aber schließlich hatte ich Loni zur Hälfte ihm zu verdanken. Später nahm der Landgerichtsdirektor uns beide zusammen auf seinen Schoß und hielt eine Ansprache.
«Liebe Loni, lieber Blasius», sagte er mit bewegter Stimme, «mit Genugtuung und Freude begehen wir den Tag, an dem ihr beide ein Paar werdet. Ihr habt euch einander würdig erwiesen» — hier dachte er wahrscheinlich an seinen zerstörten Musterprozeß Rudloff gegen Rudloff — «und wir haben den Eindruck, daß echte Zuneigung euch verbindet. »
Er nahm einen Schluck Sekt. Sein Bart kitzelte mich im Genick, aber ich hielt still und aus.
«Wenn nun nach diesem Tage eine glückliche Zeit für euch anbricht, so vergeßt über dem Glück nicht die Aufgaben, die euch vom Schicksal gestellt sind. Wenn man von euch auch billigerweise menschliche Einsicht nicht erwarten darf, so denkt bei allen euren Handlungen stets daran, daß ihr rechtschaffenen Familien entstammt, deren Häupter dem Gesetze dienen, und daß verwerfliche Taten auch ihrem Rufe Schaden
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