Eheroman (German Edition)
und nicht mit Dingen beschäftigt ist. «Ich habe keine Zeit», sagt sie.
«Das würde ich auch sagen», sagt Danilo und starrt zwischen seinen Händen irgendwo an die Wand, nur nicht zu Ava hin.
«Wieso hast du Zeit für alles und ich nicht?», schreit sie ihn plötzlich an.
«Meinst du die Zeit, die ich arbeiten gehe?», fragt er, «oder die, wo ich studiere?» Ruhig und gefasst und ihr unendlich überlegen.
«Was mache ich denn?», fragt sie.
«Merve den ganzen Nachmittag schlafen lassen?»
Ava schweigt. Danilo hat recht. Sie hat den ganzen Nachmittag geträumt und nicht einmal die Wäsche gebügelt.
Danilo füllt sich Suppe auf, und Ava geht ins kalte Schlafzimmer, wo die vollends hysterische Merve in ihrem Bett steht, an die Gitterstäbe gekrallt, und ihr ihren roten Schlund entgegenstreckt.
Wenig später kauft sich Ava in einem kleinen Laden in Winterhude ein kurzes schwarzes Kleid, das ihre Figur ins rechte Licht rückt und sie irgendwie ganz vernünftig aussehen lässt. Sie steht bei Merve in der Wohnung vor einem riesigen, stellenweise blinden Spiegel und führt ihr das Kleid vor. «Es ist viiiel zu teuer», sagt sie und wendet sich und betrachtet mit verrenktem Hals über die Schulter ihren Hintern.
«Für wen? Für dich?», fragt Merve.
«So etwas Teures kaufen wir eigentlich nicht. Da können wir eine Woche von essen. Oder vielleicht sogar zwei.»
Merve zuckt mit den Schultern. Sie holt eine Schere aus der Küche und schneidet das Preisschild ab. «Jetzt ist es nicht mehr teuer.» Sie reißt das Preisschild durch und wirft es auf den Boden.
Ava starrt auf die zerrissenen Schnipsel. «Merve. Jetzt kann ich es nicht mehr zurückbringen!»
«Wieso willst du es zurückbringen?»
«Es ist viel zu teuer für uns.»
«Du hast es doch schon gekauft. Warum kaufst du es, wenn du es wieder zurückbringen willst? Und was heißt denn immer ‹für uns›? Das kann einem ja echt auf die Nerven gehen, Mann!»
«Für unsere finanziellen Verhältnisse. Wir haben doch gar nicht das Geld für, für so ein Kleid.»
«Aber du hast es gekauft. Und jetzt stehst du hier und hast es an.»
«Du solltest mal sehen und mal sagen …», murmelt Ava.
«Jetzt habe ich es gesehen. Es sieht scharf aus. Behalt es. Es hat fünfzig Mark gekostet. Sag einfach, es hat fünfzig Mark gekostet.» Merve hebt die Schnipsel auf und bringt sie in die Küche. Sie ist immer so ordentlich. Es passt überhaupt nicht zu ihr, findet Ava. Ordentlich sind andere Leute. Die nicht so heftig sind wie Merve.
Ava betrachtet sich im Spiegel. In dem leicht undeutlichen Spiegelbild sieht sie das erste Mal wieder für sich selbst gut aus. Genau genommen sieht sie sexy aus. Sie sieht wirklich sexy aus. Ihr Kopf glüht vor Freude. Sie hatte schon fast gedacht, es wäre vorbei. Sie streckt ihren Rücken durch und zieht den Bauch ein. Sie ist gar nicht dick. Sie sieht eigentlich direkt schlank aus.
«Wir gehen mit dem Kleid aus», sagt Merve.
«Ja? Wohin gehen wir?», fragt Ava, und Cafés, die großzügig genug sind, dass man zwei Kinderkarren neben den Plätzen abstellen darf, ziehen ihr durch den Kopf.
«Wir gehen auf eine Geburtstagsparty auf St. Pauli. Ein Freund feiert Geburtstag und hat mich eingeladen. Ich habe nein gesagt, aber ich habe es mir gerade überlegt. Wir gehen mit dem Kleid auf eine Party. Du und ich und das Kleid. Heute Abend.»
Ava starrt Merve an. Sie hatte nicht gewusst, dass Merve Freunde hat, die sie auf Geburtstagspartys einladen. Sie hatte eigentlich überhaupt nichts von Freunden gewusst. Merve saß immer in der Wohnung und putzte und kümmerte sich um Johnny. «Wir können doch nicht. Wir haben doch die Kinder», sagt Ava.
Merve spitzt die Lippen und pfeift. «Ich besorge einen Babysitter. Du hast einen Kindesvater.»
«Aber ich habe Danilo doch gar nicht gefragt.»
«Meinst du, er ist nicht bereit, auf sein Kind aufzupassen? Das machst du doch auch jeden Tag und jeden Abend, und niemand fragt dich, ob du bereit bist. Ava, du gehst doch nie weg. Nie!»
Ava ist verwirrt. Es stimmt zwar, was Merve sagt, aber es ist nun mal so, dass sie ganz selbstverständlich für Merve da ist und Danilo nur, wenn er kann, will und gefragt wird. Vorher. Ausreichend vorher. Möglicherweise hat er selbst Pläne. Aber sie sagt es nicht. Sie sagt: «Wie willst du denn so schnell einen Babysitter finden?»
«Oh, ich habe schon einen gefunden», sagt Merve, «eine Studentin der Erziehungswissenschaften. Sie war bereits einmal hier
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