Ehre sei dem Vater (German Edition)
hatte. Die Frau
hatte ihre langen blonden Haare zu einem Knoten gebunden und unter einem
dunklem Kopftuch versteckt. Sie strich ihm tröstend über sein dichtes Haar. „Ich
komm mit dir“, sagte sie gerade, als plötzlich eine Sirene aufheulte. Gänsehaut
machte sich auf seinem Körper breit…. „Rasch in den Keller!“… Hastig öffnete
seine Mutter die einfache Klapptür , die in den
hölzernen Fußboden eingearbeitet war. Sie hob sich kaum vom restlichen Boden
ab. Als der Junge am unteren Ende der steilen Leiter angekommen war, ließ die
verängstigte Frau die Klappe wieder über ihnen einrasten. Um sie herum war es
vollkommen dunkel geworden. Nur durch einen schmalen Spalt an der Decke war zu
erkennen, dass es draußen taghell war.
Das Herz des Buben pochte so stark, dass er
selbst auf der Kopfhaut noch ein heftiges Pulsieren wahrnahm, als er auf dem
nasskalten Boden des Erdkellers kauerte. Die Mutter hatte, wie immer in
brenzligen Situationen, den Rosenkranz um ihre Hände gewickelt. Früher hatten
die Gebetsperlen in einer elfenbeinernen Schale mit einem Schutzengel auf dem
Deckel auf ihrem Nachttisch gelegen, doch in letzter Zeit war er nur mehr in
ihrer Schürzentasche zu finden. „ Gegrüßet seist du Maria,
voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen und
gebenedeit ist die Frucht deines Leibes Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes, Amen….“ Das
gleichmäßige Murmeln seiner Mutter gepaart mit dem beißenden Geruch von Schweiß
und feuchter Erde vermochte ihn nicht zu trösten. Im Gegenteil, es beunruhigte
ihn nur noch mehr.
Über ihren Köpfen fiel die Haustür krachend
ins Schloss. Schritte. Laute schwere Schritte. „Vater! Das wird unser Vater
s….!“ entfuhr es dem Kleinen, als ihm die Mutter mit einer eiligen Bewegung den
Mund zuhielt.
Die Schritte oben hielten inne. Das Kind versuchte
weiterhin zu rufen, wehrte sich gegen die Hand der Mutter.
„Er ist es bestimmt. ……….“
Der Mann wälzte sich schwitzend in seinem
Laken. Er brauchte einige Zeit, bis er wusste, wo er sich befand. Erleichtert
ertastete er in der Finsternis den Lichtschalter. Auf dem Holzboden vor seinem Bett
stand ein großes Glas Wasser, das er nun mit wenigen hastigen Schlucken leerte.
Nachttisch gab es hier keinen. Er versuchte die Zeit auf seiner Armbanduhr
abzulesen, was ohne Brille alle Konzentration erforderte. Halb drei Uhr
morgens. Er setzte sich auf, um nicht so rasch wieder einzuschlafen. Bewusst
nahm er seine Umgebung wahr. Das helle Holz, in dem die spartanische
Einrichtung gehalten war, bildete einen angenehmen Kontrast zu der weiß
gefärbten Wand, die außer einem einfachen hölzernen Kruzifix am Kopfende seines
Bettes vollkommen kahl war.
Er hatte noch nie zuvor in einem so winzigen Zimmer
gehaust. Sicher, seine Kindheit war nicht von Reichtum geprägt gewesen, aber
die Räume waren dennoch, zumindest von der Größe her, viel großzügiger geplant.
Das fast armselig anmutende runde Waschbecken aus Nirosta am Bettende wurde von
einer einfachen Holzkonstruktion gehalten. Auf der oberen Hälfte der
Holzkonstruktion war ein kleiner rechteckiger Spiegel angebracht, darunter
standen auf einer schmalen Auflagefläche eine Flüssigseife, sein Zahnputzbecher
und ein Kamm. Sehr viel mehr würde hier auch nicht Platz finden. Die
Abflussrohre, die ebenso wie das Becken selbst in Nirosta gehalten waren, hatte
man scheinbar bewusst sichtbar gelassen und die bescheidene Leuchte aus
Milchglas, die über dem Waschbecken angebracht war, passte sich dem Gesamtbild
perfekt an. Die Architekten hatten sich bei der Komplettrenovierung des alten
Gebäudes vor wenigen Jahren offenbar viel Mühe gegeben, diesen Raum so
spartanisch wie möglich wirken zu lassen. Doch obwohl jeder Luxus bewusst
eingespart worden war, strömte das Zimmer eine ungewöhnliche Wärme aus. Über
dem Heizkörper fiel tagsüber viel Licht durch ein - im Verhältnis zum Raum -
großzügiges zweiflügeliges Fenster. Der Blick in den Garten hatte ihn so
beeindruckt, dass er die gelblich-braunen Vorhänge abends nicht zuziehen wollte.
Es gab keinen Kleiderschrank. Zu diesem Zweck hatte man nur eine schlichte
Garderobe aus Holz an die Wand geschraubt, auf welcher einige Kleiderbügel
hingen. Der Schreibtisch daneben, war so klein, dass es unmöglich wäre, eine großformatige
Tageszeitung darauf geöffnet auszubreiten. „Wie unpassend zu dieser perfekten
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