Ehre sei dem Vater (German Edition)
Doch er
wollte sich nun ganz der Gegenwart widmen. Die Gendarmen hatten gerade
angefangen zu schildern, wie das Verhör mit Robert Millner -Rubens
verlaufen war. Scheinbar hatte dieser nichts von der alten Geschichte
preisgegeben.
Schwarz : „Halten Sie es für möglich,
dass Millner -Rubens Sie erpresst hat?“
Franz
Seidl: „Er ist der
einzige lebende Mensch, den ich kenne, der über alles Bescheid weiß. Obwohl ich
ihm so etwas ursprünglich nicht zugetraut hätte. Wir hatten kein besonders
inniges Verhältnis zueinander, sind uns aber durchaus mit Respekt begegnet.“
Lutz : „Wissen Sie von finanziellen
Problemen des Mannes?“
Franz
Seidl: „Nein, so gut
kannten wir uns auch wieder nicht. Wenn ich recht überlege, haben wir uns erst
zweimal getroffen.“
Lutz : „Ihr Vater hat seine …. ‚Veranlagung’
doch in seiner Wahlheimat Esslingen scheinbar nicht geheim gehalten……“
Franz
Seidl : „Ich weiß,
worauf Sie hinauswollen, aber ich kann nicht sagen, ob dort sonst noch jemand von
meiner Existenz wusste.“
Schwarz : „Und Karl Weber? Konnte er es
gewusst haben?“
Franz
Seidl : „Schwer
vorstellbar. Aber ich glaube, er hätte diese brisante Information sicherlich
auf andere Weise gegen mich ausgespielt. Wie Sie inzwischen wissen, haben wir
schon seit Ewigkeiten Reibereien wegen unserer Grundstücke. Außerdem weiß ich
von Weber mit Sicherheit, dass er nicht am Hungertuch nagt. Seine Besitztümer
sind um einiges mehr wert, als das, was ich jemals besaß, und den Großteil
davon hat er bereits schuldenfrei von seinen Eltern übernommen.“
Schwarz : „Sie erwähnten vorhin, dass Millner -Rubens der einzige ‚lebende’ Mensch wäre, der von
ihrem Geheimnis wusste. Wer hat denn früher noch davon gewusst?“
Franz
Seidl: „Meine Mutter
und mein vor vielen Jahren verstorbener Freund Wolfgang Sandtner .
Er ist 1982 bei einem Unfall ums Leben gekommen.“
Lutz : „Würden Sie es für möglich halten,
dass er ihr Geheimnis jemanden anvertraut hätte?“
Franz
Seidl: „Er war
Anwalt von Beruf und von daher wahrscheinlich daran gewöhnt, Dinge für sich
behalten zu müssen.“
Schwarz : „Und seine Frau? Haben die beiden
eine gute Ehe geführt?“
Franz
Seidl : „Davon gehe
ich aus. Seine Frau ist beinahe an seinem Tod zerbrochen. Ich habe mir nie
darüber Gedanken gemacht, ob er es verraten haben könnte, weil ich nie von
Hertha Sandtner darauf angesprochen wurde. Ich kann
mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass mich Hertha erpresst. Wir
sind zwar nie richtige Freunde geworden, doch ich habe sie immer für die Treue,
ihrem verstorbenen Gatten gegenüber, bewundert. Welche Frau würde das für ihren
Mann tun?“
Schwarz : „Das mag Frau Sandtner ehren, aber ich sehe das nicht als Ausschließungsgrund für eine Erpressung.“
Schwarz war inzwischen wieder aufgestanden, während sein Kollege gewissenhaft
Stichworte auf seinen Notizblock kritzelte. Nun hatten sie Franz Seidl zwar
gefunden, der Fall war dadurch aber nicht viel einfacher geworden. Es würde
noch ein hartes Stück Arbeit werden, dachte er, bis sie den Fall endgültig zu
den Akten legen könnten. Obwohl sich die Auswahl an Mitwissern auf einen engen
Kreis beschränkte, schien Seidl außer Millner -Rubens
niemanden zu verdächtigen. Er strich nervös mit den Fingern der rechten Hand
über seine Kotletten, während er in hastigen, langen Schritten den Raum durchquerte.
„Wir werden alle Personen im engeren Umkreis von Millner -Rubens,
Weber und Hertha Sandtner verhören müssen“, sagte er
schließlich mit einer auffordernden Handbewegung in Richtung Inspektor Lutz,
die den Mann sofort aufspringen ließ. „Wir haben eine Menge Arbeit vor uns“,
sagte er.
„Sollte Ihnen etwas Neues zu dieser Sache einfallen,
zögern Sie nicht, uns anzurufen!“ Diesmal war der Blick des Inspektors beinahe
freundschaftlich.
Franz saß nun wieder ganz allein im Refektorium. Er sah sich um, als säße er
hier zum ersten Mal, dabei war ihm der Raum inzwischen sehr vertraut geworden.
Würde ihm die dunkle, schwere Holzdecke, die kleinen Sprossenfenster, durch die
noch ein wenig Tageslicht fiel, und die biblischen Bilder an der Wand fehlen,
wenn er heute nach Hause zurückkehren sollte? Er war nicht sicher. Bruder
Markus würde er auf jeden Fall vermissen. Mit ihm verband ihn so etwas wie eine
Freundschaft, obwohl die beiden die ganze Zeit beim förmlichen Sie geblieben
waren. Nie hatte Franz Seidl gespürt, dass der junge
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