Eidernebel
Leserbriefe, die gegen unseren Speicheltest mobilisieren. ›Rücksichtslos‹, schreibt da beispielsweise einer und ein anderer: ›Die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht.‹ Und hier: ›Gibt es in der Bevölkerung noch immer so viele unkritische Geister, die die Zeichen der Zeit nicht begriffen haben, siehe Guantanamo.‹«
»Komm runter, Heinz«, würgt Swensen den Polizeirat ab und winkt Stephan Mielke zu, der etwas abseits verharrt. »Das sind doch Lappalien, über die du dich aufregst. Außerdem ist Bigdowski doch dein Kumpel. Also rede ihm ins Gewissen, wenn dir etwas nicht passt. Du bist doch sonst nicht so zurückhaltend.«
»Was soll das denn heißen?«
»Nichts!«, sagt Swensen, lässt den Polizeirat einfach stehen und geht zu Mielke, der ihn zu sich gewunken hat.
»Danke, dass du mich losgeeist hast, Stephan!«
Während Püchel leise vor sich hin fluchend auf die Fahrzeughalle zusteuert, gehen Mielke und Swensen zum Twingo und steigen ein. Das rechte Auge des Oberkommissars schimmert erneut blauschwarz und er selbst scheint genauso ungehalten wie sein Aussehen zu sein. Ohne ein Wort legt er den Gang ein, fährt vom Hof der Feuerwehr und nach links über die Dorfstraße aus Witzwort heraus. Swensen versucht sich zu entspannen, richtet seinen Blick auf die flache Landschaft und den hohen Himmel darüber. Wie Kumuluswolken türmen sich seine Gedanken auf und plötzlich sieht er den Verhörraum vor sich.
Er kommt zur Tür herein. Oberkommissar Mielke hat bereits Platz genommen, legt die Hände vor sich auf den Tisch und trommelt demonstrativ auf die Holzplatte. Der Exfreund der Ermordeten Andrea Goldschmidt sitzt ihm gegenüber. Peter Kirch starrt unbeweglich auf die zerkratzte Oberfläche. Sein Gesicht ist gerötet, Schweißtropfen stehen auf der Stirn. Swensen greift nach einem Stuhl und setzt sich unauffällig neben seinen Kollegen.
»Geocaching … Geocaching! Dass ich nicht lache! Du kannst das drehen und wenden wie du willst ›Seefahrer‹, du hast ohne ersichtlichen Grund einen Polizeibeamten tätlich angegriffen.« Mielkes Stimme klingt wie ein Faustschlag.
»Was reden Sie denn da? Nicht ich, sondern Sie haben mich angegriffen! Ich bin ganz friedlich um die Kirche spaziert, da haben Sie sich von hinten auf mich gestürzt!«
»Ich sage dir jetzt mal was, Freundchen. Du machst hier ein auf Geocaching und kundschaftest dabei heimlich die Gegend aus, damit du weiß, wo du dein nächstes Opfer hinschaffen kannst.«
»Opfer? Von welchem Opfer reden Sie?«
»Wir reden bereits von Opfern, mein Lieber! Franziska Giese zum Beispiel! Dorit Missler …«
»Wer sollen die sein?«
»Andrea Goldschmidt, auch kein Begriff?«
»Sie haben mich doch damals schon befragt«, wendet sich Kirch mit Panik in der Stimme an Swensen. »Da war alles in Ordnung mit meinem Alibi, oder?«
»Das haben Sie doch mit Ihren Freunden abgesprochen, Herr Kirch«, provoziert Swensen. »Mal sehen, wie lange das Alibi noch steht, wenn wir uns diese Freunde erneut vornehmen. Bin gespannt, ob die auch behaupten, Sie wären an den fraglichen Abenden im April und Juli bei Ihnen gewesen.«
»Ich hab niemanden ermordet! Ich könnte so was gar nicht!«
»Deine Exfreundin ist kein Jahr unter der Erde und du veranstaltest eine Internet-Schnitzeljagd an den Tatort ihrer Ermordung!«, braust Mielke dazwischen. »Ich nenne so was einfach nur krank!«
»Der Cache an der Witzworter Kirche ist überhaupt nicht von mir«, widerspricht Kirch. »Wenn Sie kein Muggel wären, würden Sie das wissen!«
»Muggel? Ich kenne ›Bötjer Basch‹!«, triumphiert Mielke. »Ich weiß sogar, dass der Name aus einer Storm-Novelle über einen Böttchermeister stammt. Ich kann mich genauso gut im Internet bewegen wie du, ›Seefahrer‹! Was glaubst du, weshalb wir dich erwischt haben. Die Nachricht zu deinem Cache trägt meine Handschrift.«
»Ich bin ›Seefahrer‹ und nicht ›Bötjer Basch‹. Was wollt ihr also von mir?«
»Wir wollen wissen, wer ›Bötjer Basch‹ ist!«
»Wenn Sie sich mit Geocaching auskennen, müssten Sie auch wissen, dass alles anonym läuft.«
»Und du willst uns weismachen, dass du ›Bötjer Basch‹ nicht persönlich kennst? Wir sind hier auf Eiderstedt und nicht in Alaska!«
»Habt ihr Tomaten auf den Ohren, Geocaching ist anonym!«
»Dann werde ich dir jetzt mal deine Tomaten aus den Ohren ziehen, Freundchen! Tätlicher Angriff gegen einen Vollzugsbeamten! Das wird dir bis zu zwei Jahre einbringen! Ahoi
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