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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Zusammenhang zum Mord in Reimersbude.«
    Für wenige Sekunden erlebt Swensen eine Art Leerheit des Geistes, von der sein Meister immer gesprochen hatte. Da ist mit einem Mal kein Gedanke mehr, der wertet, da ist nur allgegenwärtiges Wissen.
     
    »Wenn uns etwas ganz gegenwärtig wird, dann erlangt es unsere ganze Aufmerksamkeit. Keine Aufmerksamkeit, die wir unter Anstrengung des Willens hervorbringen, sondern ganz natürlich werden wir dem vergegenwärtigen Gegenwärtigen gewahr.«
     
    »Danke, Silvia«, sagt er knapp und beendet das Gespräch. »Wir fahren nicht nach Husum, Stephan. Bleib einfach geradeaus auf der A 7, Richtung Norderstedt! Und Vollgas!«
    »Was? Du willst noch mal nach Siek, zu diesem Zernitz?«, knurrt Mielke genervt.
    »Ich hab da so eine Intuition, aber die kann ich dir nicht in ein paar Worten beschreiben. Ich erzähl dir alles später während der Fahrt. Vorher muss ich unbedingt noch mit Maria Teske sprechen. Könnte sein, dass es um Leben und Tod geht!«
    »Dann kann ich meine Verabredung wohl knicken«, zischt Mielke, zieht die Stirn in Falten und brummelt unverständliche Worte des Missfallens. Im selben Moment rast er an der Abzweigung Itzehoe–Husum vorbei, holt mit angesäuertem Gesicht alles aus dem Polo heraus, was möglich ist. Swensen hängt derweil erneut verdreht im Sitz und wühlt auf dem Rücksitz seinen Notizblock aus der Manteltasche. Er blättert ihn zügig durch und tippt auf der Tastatur eine Telefonnummer ein.
     
    *
     
    Der Schriftzug ›Dancin’ Lounge‹ blinkt nach wie vor über der Eingangstür und der rote Schein der Neonröhren springt in regelmäßigen Abständen an die schwarzen Hauswände. Die Frauen und Männer der Selbsthilfegruppe stehen noch kurz im Hinterhof zusammen, alle umarmen einander und wünschen sich einen schönen Abend. Lisa Blau war in der letzten Stunde unkonzentriert und unruhig gewesen, war mehrfach von Schüben unerklärliche Angst aufgeschreckt worden. Deshalb hatte sie am Ende der Sitzung die Mitglieder der Gruppe gebeten vor der Tanzschule auf sie zu warten. Sie schaltet den Hauptschalter aus, tritt zu den anderen in den stockdunklen Hof, ertastet das Schlüsselloch und verriegelt die Tür von außen. Jetzt spürt sie, dass ihre Angst ein wenig nachlässt. Gemeinsam geht die Gruppe über den Hof und durch die schmale Toreinfahrt zwischen den Häusern auf die Straße hinaus. Da fällt Lisa Blau ein, dass die Fenster im Tanzsaal noch immer offen stehen. Das Herz rät ihr mit aller Macht, die Sache einfach zu ignorieren und weiterzugehen, doch der Verstand zählt penetrant die ganze Palette der Wenn und Aber auf, die alle passieren könnten, wenn die Fenster nicht geschlossen werden. Lisa Blau bleibt stehen.
    »Ich muss noch mal zurück«, sagt sie laut. »Ich hab die Fenster offen gelassen.«
    »Wer es nicht im Kopf hat, muss es in den Beinen haben«, scherzt der Glatzkopf. »Okay, wir gehen weiter. Bis in drei Wochen, Lisa!«
    »Tschüs, alle miteinander!«, ruft die Tanzlehrerin der Gruppe nach, fasst sich ein Herz und geht entschlossen durch den finsteren Gang in den Hof zurück. Nach kurzer Zeit gelingt es ihren Augen, die Dunkelheit zu durchdringen. Sie schließt erneut die Eingangstür auf, tastet nach dem Hauptschalter und drückt ihn mit dem Daumen nach oben. Draußen starten die Neonröhren mit ihrem ewigen Ein und Aus, gleichzeitig brennt die Lampe im Vorraum und im Tanzsaal flackern die Neonröhren auf. Mit dem Licht kriecht auch die diffuse Angst in die Räume zurück, als könne sie im Hellen besser die empfänglichen Punkte an Lisa Blaus Hals und Nacken berühren. Die Tanzlehrerin beginnt leise eine Melodie vor sich hin zu summen, will sich mit ihrer eigenen Stimme Mut einflößen. Sie eilt hinüber in den Tanzsaal und schließt das vordere Fenster mit einem Knall. Die Bilder aus dem Albtraum ihres Herzens jagen hinter ihr her, die blutrote Zunge hängt meterlang aus Kalis Maul, nähert sich wie eine Schlange, züngelt feindselig um ihr neues Organ, bringt es zum Pumpen, Rasen.
    Schlag.
    Schlag.
    Schlag.
    Sie schlägt das zweite Fenster zu, macht eine Drehung und sieht in der Spiegelwand, wie sie selbst auf sich zueilt.
    Du wirst verrückt, brüllt ihre innere Stimme. Sie rennt mit gestreckten Armen ihrem Spiegelbild entgegen und presst ihre Hände auf ihre Spiegelung. Das Herz lässt die Brust zucken, der Atem geht geräuschvoll. Das schreckliche Traumbild von dem eiförmigen Männerkopf, der an dem Schleusenhäuschen

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