Eidernebel
hatte ich das Gefühl von einem unendlichen Glück. In mir sprühten Funken. Meine alte Energie schien zu mir zurückgekehrt zu sein und ich habe innerlich vor Freude getanzt. Ich glaube, in dem Moment habe ich den tiefsten Atemzug in meinen Leben gemacht. Ich wusste ganz tief in mir drin, dass mein neues Herz nun körperlich zu mir gehörte.«
»Und dieser Name, der Ihnen in diesem Traum gekommen ist? Glauben Sie im Nachhinein immer noch, dass es wirklich der Name ihrer Spenderin ist?«
»Vor diesem Traum ist mein neues Herz etwas gewesen, das ich von einem mir unbekannten Menschen erhalten habe. Die ersten sieben Monate war dieser Mensch für mich ein anonymes Wesen. Nach diesem Traum hat sich das schlagartig anders angefühlt. Ich erwachte und ich war mir sofort sicher, dass Marion D. meine Organspenderin gewesen ist. Sie lebt mit mir, genauso wie sie früher einmal gewesen ist.«
»Sie haben aber nicht nachgeprüft, ob es wirklich wahr ist, oder?«
»Damals war der Wunsch herauszubekommen, ob ich im Traum meiner wirklichen Spenderin begegnet bin, unsagbar groß«, antwortet Lisa Blau und ihre Augen schauen durch die Frau, die ihr gegenübersitzt, hindurch. Sie wirkt plötzlich entrückt, außerhalb ihres Körpers. »Aber wie hätte ich das anstellen sollen, Frau Teske?«
»Nun, einfach im Krankenhaus nachfragen. Irgendeiner der Ärzte oder eine der Schwestern wird doch wissen, woher das Herz gekommen ist.«
»Habe ich ja gemacht! Drei Tage nach meinem Traum habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich hab im Krankenhaus angerufen und mich zu Schwester Annegret durchstellen lassen. Schwester Annegret hat mich die lange Zeit vor und nach der Transplantation betreut und wir hatten am Ende ein fast freundschaftliches Verhältnis. Mir war natürlich klar, dass sie dem gleichen strengen Geheimhaltungskodex unterliegt, wie alle Mitarbeiter der Klinik.
›Vor ein paar Tagen hatte ich einen merkwürdigen Traum‹, habe ich der Schwester am Telefon berichtet. ›Den möchte ich Ihnen unbedingt erzählen. Mir ist nämlich im Traum eine Frau begegnet, die Marion D. hieß.‹
Ihre Antwort war: ›Lisa, um … um Gottes willen, woher … das ist völlig unmöglich. Das … das können Sie gar nicht wissen.‹ Schwester Annegret verlor während des Gesprächs hörbar die Fassung. ›Ich … ich darf mit Ihnen über solche Dinge nicht sprechen, Lisa! Sie … Sie können das gar nicht wissen. Lassen Sie unter allen Umständen die Finger davon! Selbst wenn Sie es schaffen sollten, die Familie Ihrer Spenderin zu finden, treten Sie damit vielleicht auf eine Mine und verursachen ein nicht rückgängig zu machendes Chaos.‹
›Ich weiß nicht, was Sie mir sagen wollen, Schwester Annegret.‹
›Es ist doch möglich, dass die Angehörigen der Spenderin ganz anders reagieren, als Sie es sich in Ihrer Fantasie ausmalen. Vielleicht sind sie entsetzt, schockiert, ablehnend. Ich kann es ja verstehen, dass Sie mehr über Ihre Spenderin wissen wollen. Aber Ihr Versuch kann ganz gewaltig nach hinten losgehen, Lisa. Gefühle sind einfach unberechenbar.‹
›Ich war sehr enttäuscht, dass Schwester Annegret mich mit meinem Wissen um Marion D. allein gelassen hat. Wer der Spender gewesen sein könnte, hatte mich schon während meines gesamten Krankenhausaufenthalts beschäftigt, mal mehr und mal weniger, doch nur ein Arzt hatte die Andeutung gemacht, dass mein Herz aus einem Husumer Klinikum gekommen ist.‹«
»Aus Husum? Da sind Sie sicher?«, die Stimme der Journalistin klingt elektrisiert.
»Der Arzt hat es nur unter der Hand erwähnt. Er hat mich gebeten, es niemandem zu erzählen. Ich bitte Sie eindringlich, es nicht in Ihrem Artikel zu erwähnen, Frau Teske. Das müssen Sie mir hier und heute versprechen, Ehrenwort!«
»Das ist doch selbstverständlich, Frau Blau«, beruhigt die Journalistin, »auch wir Journalisten halten uns an einen Kodex. Aber mit Ihrer Information kann man natürlich trotzdem eine Menge anfangen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich könnte vielleicht etwas für Sie tun, Frau Blau. An welchem Tag genau war Ihre Transplantation?«
»Moment, da muss ich nachdenken …, das war …, ja, das war am 17. Juni 1998. Weshalb wollen Sie das wissen, Frau Teske?«
»Ich könnte vor Ort recherchieren, wer am 17. Juni im Husumer Krankenhaus gestorben ist. Ihre Spenderin muss mit Sicherheit aus der näheren Umgebung gekommen sein. Was meinen Sie, soll ich das für Sie probieren, Frau Blau?«
»Das ist die
Weitere Kostenlose Bücher