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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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arbeiten Sie denn?«
    »Bei Libo.«
    »Libo? Diesem Discounter? Na, dann wundert mich nichts mehr. Der Laden geht nicht zimperlich mit seiner Belegschaft um. Da kann ich Ihnen einiges erzählen, liebe Frau! Trinken Sie noch einen Wein, ich geb einen aus!«
    Franziska Giese zögert für den Bruchteil einer Sekunde, eine innere Stimme warnt sie: Pass auf! Doch die Stimme spricht leise und nach Hause möchte sie auch noch nicht. Die Möglichkeit, mit jemandem zu sprechen, der ihre momentane Situation versteht, vielleicht sogar die Gefühle mit ihr teilt, ist größer als diese kleine Regung des Unbewussten.
    »Lassen Sie sich bloß keine Ich-AG aufschwatzen«, sagt der muskulöse Mann, der einen makellosen Anzug trägt, und stellt das Glas Wein vor ihr auf den Tisch. Franziska Giese bemerkt schnell, dass der vermeintliche Gewerkschaftler trotz allem wenig Mitgefühl zeigt, sondern einfach nur gerne ununterbrochen redet. Die Frau bedauert ihre Entscheidung innerlich, trinkt mehrmals von dem spendierten Wein und schaltet klammheimlich auf Durchzug. Langsam werden die Aussichten, von denen der Mann predigt, immer düsterer: »Wenn 2005 Hartz IV eingeführt wird, wird es noch schlimmer. Dann wird aus Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe das Arbeitslosengeld II, dass unter dem Niveau von der heutigen Sozialhilfe liegt.«
    Franziska Giese wird erst in fünf Stunden merken, dass zu diesem Zeitpunkt in ihr bereits ein schwarzer Vorhang gefallen ist, ein Blackout, der alles, was augenblicklich um sie herum passiert, nicht mehr in ihrem Gedächtnis speichert. Dabei macht sie auf die Menschen, die um sie herumstehen, weiterhin einen ganz normalen Eindruck.
    Der Mann neben ihr redet weiter und weiter. Sie hört nicht mehr zu, obwohl es nicht so aussieht. Er nimmt ihre Hand, zieht sie mit sich fort. Sie lacht, geht mit ihm. Beide gehen Hand in Hand zum Hafen hinunter, vorbei an den Segelbooten, über die Holzbrücke in einen Fußgängerweg durch die Neubauten. Dahinter führt der Mann sie zu einem Wagen, der dort auf dem Parkplatz steht, öffnet die Tür, schiebt sie auf den Beifahrersitz und steuert das Fahrzeug aus der Stadt heraus. In der flachen Landschaft neben der Straße lauert die Dunkelheit, die ihre Sinne verstört, ähnlich wie ihr Bewusstsein schon eine Weile lang gestört ist.
     
    *
     
    »Commissario, non vedo l’ora, ich voll frohe Sie sehen!«, sprudelt es aus dem Mund von Bruno, während er, wie immer im blütenweißen Hemd und langer, roter Schürze, hinter dem Tresen hervorstürmt. »Venga, Venga! Kommen Sie! La signora Diete. La già aspetta a tavola, sitzen am Tisch hinten, warten schon!«
    »E’ Venerdì, es ist Freitag und wir sind da!«, grinst Swensen.
    »Letzten Freitag nicht … und davor Freitag nicht …«
    »Sie haben recht, Bruno«, unterbricht der Hauptkommissar. »Waren länger nicht da. Ich bin umgezogen und wohne jetzt bei Frau Diete in Witzwort.«
    »Signora Diete schon erzählen, Commissario, è fantastico, super prima!«, jubelt der Chef vom Dante und dreht an seinem Schnurrbart. »E ora vi sposate, und jetzt heiraten?«
    »Sie erfahren das als Erster, Bruno, wenn es so weit ist, versprochen. Aber keine Hektik, mein Freund, das kann noch etwas dauern.«
    Swensen nimmt dem rundlichen Mann mit der Glatze die Speisekarten aus der Hand und geht mit einem Augenzwinkern zu dem Tisch, an dem Anna auf ihn wartet.
    »Hallo, Jan! Schön, dass du pünktlich Schluss machen konntest, ich hab nämlich einen Mordshunger!«
    »Ich bin auch froh, dass es heute endlich mal problemlos ging. Ich hab leider nicht so viel Appetit, mir liegen die Fälle im Magen.«
    »Ach herrje, dann werde ich wohl für uns beide essen müssen!«
    »Tja, Frau Psychologin, gehe nie mit einem Kriminalpolizisten essen, vor allem nicht, wenn der auch noch Vegetarier ist.«
    »Jetzt gibt es kein zurück mehr, Schnüffelhase. Ich sehe, du hast die Speisekarte dabei«, scherzt Anna und nimmt Swensen eine aus der Hand. Während er sich setzt, blättert sie schon zur Tageskarte. Bruno kommt mit seinem Block in der Hand an den Tisch und kann es nicht lassen, einen vorzüglichen Rotwein anzupreisen.
    »Ich neu haben … un vino unico, Signora Diete, Commissario, für Sie ein Rosso Primitivo, ich nur sagen eccellente!«, redet er sich in Begeisterung, obwohl er genau weiß, dass der Hauptkommissar fast nie Alkohol trinkt.
    »Okay, okay, Bruno, Sie alter Casanova, nun bringen Sie uns schon eine Flasche!«, gibt Swensen klein bei.
    »Sie nicht

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