Eifel-Connection
Motor eines Gabelstaplers gestartet. Das war deutlich zu hören, es war ein dumpfes Röhren.
Ich stand auf, lehnte die Leiter wieder an das Dach und sagte in das Funkgerät: »Alles klar, bis zum nächsten Mal.«
Dann dachte ich, dass aus meiner Position das Wohnhaus gänzlich außer Acht gelassen wurde, und dass auch P-2 es vom Dach aus wahrscheinlich nicht sehen konnte, denn er würde sich ganz gebückt oder liegend halten.
Ich bewegte mich an der Rückwand entlang bis zur Ecke. Im Wohnhaus brannte kein Licht, kein Fenster war erleuchtet. Das erschien mir seltsam. Waren beide Partner in der Halle?
Plötzlich ging über der Haustür eine Lampe an, und Klara Jaax kam im Schlendergang auf die Halle zu. Sie rauchte eine Zigarette, und sie bewegte sich sehr träge wie ein Mensch, der keinerlei Unruhe in sich hat.
»Die Ehefrau kommt!« warnte ich P-2 und lief zurück zu dem Punkt, an dem die Leiter stand.
Ich wartete an der Ecke des Gebäudes, bis ich erkennen konnte, dass die Frau den normalen Zugang, die kleine Tür in die Halle benutzte.
Aus Emmas Sicht schien alles ruhig, sie war nicht zu sehen, und ihre Lampe blieb unbenutzt.
Müller war plötzlich da und stupste schwanzwedelnd an meine Knie. Wahrscheinlich war er heilfroh, mich wiederzusehen, wahrscheinlich hatte er mich all die Tage über schmerzlich vermisst. Ich sagte kein Wort, aber ich streichelte ihn und gab irgendeinen dumpfen Laut der Wiedersehensfreude von mir, was ihn eindeutig noch verrückter machte. Die Panik, ihn plötzlich laut winseln zu hören, traf mich fast wie ein körperlicher Schmerz, und ich beruhigte ihn, soweit ich das konnte.
P-2 meldete sich. Er sagte: »Wir haben Erfolg!«
Ich meldete zurück: »Ich habe hier einen Hund.«
»Abbrechen?«, fragte er.
»Nicht bissig!«, widersprach ich.
Dann lehnte ich mich gegen die Seitenwand der Halle, sodass ich Emmas Lichtzeichen sehen würde, und versuchte mich zu entspannen. Müller war noch immer da, und stieß von Zeit zu Zeit gegen mich, schnaufte wild. Einmal bückte ich mich hinunter zu ihm und bekam seine feuchte Zunge durchs Gesicht gezogen. Es war ein durchaus inniges Verhältnis.
Dann sah ich ihn, und merkwürdigerweise erschrak ich nicht. Er stand etwa drei Meter von mir entfernt, etwas höher als ich in der kurzen steilen Böschung zwischen zwei Sträuchern. Er bewegte sich nicht, und die Szenerie wurde zu einem Horrorfilm, weil ich absolut nicht wusste, was ich tun konnte.
Ich meldete hauchend an P-2. »Wir haben Zuwachs. Ein Mann.«
»Abbrechen?«
»Nein. Ich versuch mal was.«
Es war mir gleichgültig, ob er mich gehört hatte. Ich bewegte mich so normal, wie ich konnte. Ich nahm die Leiter von der Dachkante und ließ sie dann scheinbar vorsichtig auf die Erde sinken. In einem günstigen Winkel griff ich hart zu, schwang die Konstruktion herum und rammte sie mit aller Gewalt in seine Richtung.
Er seufzte ganz hoch und ganz laut, seine Arme kamen herunter vor seinen Leib, und dann stürzte er mir vor die Beine.
»Ich habe ihn!« meldete ich triumphierend zu P-2.
»Abbrechen?«, fragte er wieder.
»Geht auch so«, sagte ich.
Ich stellte die Leiter wieder an das Dach und ging in die Knie, um zu sehen, wer er war, wie er aussah, ob er atmete. Ich zündete mein Feuerzeug an.
Es war ein junges Gesicht. Ich kannte es nicht, hatte es nie gesehen. Vielleicht dreißig Jahre alt. Er trug einen Dreitagebart, nur ein schmuddeliges, dunkles T-Shirt über alten Jeans, und seine Hände sahen nach viel schwerer Arbeit aus. Ich knipste das Feuerzeug an und schob seine Oberlippe hoch. Er hatte ungepflegte Zähne, er putzte sie nie, sie waren brüchig und quittengelb. Im Moment schien er bewusstlos - und wurde augenblicklich mein Albtraum.
Was, wenn ich ihn ernstlich verwundet hatte?
»Er ist bewusstlos«, meldete ich nach oben.
»Zu riskant. Wir brechen ab«, entschied P-2. »Der BMW kommt jetzt raus.«
Etwa drei Minuten später ging das Tor auf der Rückseite auf, und der BMW kam in einem weiten Bogen vom Hof her in den Hohlweg gefahren und verschwand.
Ich kniete wieder neben dem Unbekannten nieder. Er hatte nichts in den beiden Taschen der Jeans, also drehte ich ihn herum und hatte Glück. Er trug eine Geldbörse in einer Hosentasche und hatte dankenswerterweise außer einem Zehn-Euro-Schein auch einen Ausweis darin und einen kleinen Zettel, auf den er eine Hartz-IV-Angabe gekritzelt hatte. Er führte den Vornamen Jobst, Jobst Leuer, geboren in Euskirchen im Jahr des Herrn
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