Eifel-Kreuz
nichts«, stellte Rodenstock fest.
»Was ist denn passiert?«, fragte Emma.
»Einzelheiten weià ich leider nicht genau«, antwortete
Nadine Steil. »Jedenfalls spielt Sex eine Rolle.«
»Geht es denn um Schüler? Oder um Lehrer?«, fragte ich.
»Schüler sind die Opfer«, erklärte sie. »Aber wovon? â
Keine Ahnung.«
»Entschuldigt eine alte Frau«, sagte Tante Anni. »Wir
schweifen ab und Sex interessiert mich im Augenblick weniger. Wenden wir uns
doch wieder Ihrem Mann zu. Erzählen Sie uns von ihm.«
Nadine Steil sah sie lange an und nickte dann. »Ja, natürlich.
Wo fange ich an? Nun, Thomas und ich kannten uns schon seit der Schulzeit.
Wobei ich zunächst andere Freunde und er andere Freundinnen hatte.« Sie
lächelte in der Erinnerung. »Wie das so ist, wir trafen immer wieder aufeinander.
Man sah sich bei der Kirmes, auf der Disco, bei Sportveranstaltungen,
Feuerwehrfesten und so. Er war zwei Klassen über mir und machte logischerweise
zwei Jahre vor mir Abitur. Jedenfalls sind wir irgendwann zusammengekommen. Und
schon damals sagte er: âºMit dir möchte ich mein Leben verbringen.â¹ Ich bin aus
allen Wolken gefallen, denn ich wusste, dass Thomas Priester werden wollte. Auf
meine Frage antwortete er, er könne sich ein solches Studium über zwölf
Semester aus finanziellen Gründen nicht erlauben. AuÃerdem habe er auch keine
Lust, im Zölibat zu leben. Er sei nicht in der Lage, lebenslang zu mogeln. Ich
habe vorgeschlagen, ich könnte ja seine Haushälterin werden. Wir haben sehr
gelacht â¦Â«
»Sie heirateten«, sagte Emma sachlich. »Haben Sie je gedacht,
dass das ein Fehler war?«
»Ein Fehler? Nein, nie! Weder ich noch Thomas. Ich bekam
das erste Kind, das zweite Kind, das dritte Kind. Wir haben oft darüber
geredet, ob wir alles richtig machen. Ob wir die Kinder richtig erziehen, ob
wir gute Eltern sind. Aber wir haben nie überlegt, dass die Entscheidung zu
heiraten falsch gewesen war. Dann erfolgten diese Schübe der Depression immer
öfter und wurden heftiger. SchlieÃlich beschlossen wir, uns eine Zeit lang mal
gegenseitig loszulassen. Thomas nannte das âºLoslassenâ¹. Ja, sicher, die
Sturm-und-Drangzeit war vorbei und der Partner längst nicht mehr so attraktiv.
Ich denke, viele Ehen durchlaufen eine solche Phase. Und ich war neugierig auf
ein anderes Leben.«
»Wer hatte zuerst einen neuen Partner. Sie oder Ihr
Mann?«, fragte ich.
»Ich.«
»Und wie reagierte Ihr Mann?«
»Obwohl die Trennung von ihm ausgegangen war, abweisend
und schroff. Er war plötzlich ein anderer Mensch. Nur selten hatte er
versöhnliche Momente.«
»Was meinen Sie mit abweisend? Hat er Sie einfach ignoriert?«
Tante Anni strahlte reine Güte aus.
»Nein. Das wäre ja nicht so schlimm gewesen ⦠Thomas war
schon lange ausgezogen und mein Freund übernachtete oft bei uns. Die Kinder
nahmen das nicht nur hin, sie mögen meinen Freund aufrichtig. Es war ein
Sonntagmorgen, etwa gegen zehn Uhr. Da kommt Thomas ins Haus. Wir hatten ihn
nicht gehört, er wollte auch bloà irgendwelche Akten holen. Plötzlich steht er
in der Schlafzimmertür und sieht Matthias neben mir liegen. Wir waren beide
nackt. Man muss dabei wissen, dass Thomas und Matthias sich seit vielen Jahren
kannten, sie waren fast Freunde. Thomas steht also da und ist leichenblass.
Matthias rutscht aus dem Bett und sagt: âºEntschuldigung!â¹ Er will an Thomas
vorbei, aus dem Zimmer raus. Auf einmal langt Thomas nach ihm, packt ihn oben
am Hals und unten am Hintern und fegt ihn durch die Tür ins Treppenhaus. Es
scheppert und donnert, die Kinder kommen angstvoll aus ihren Zimmern gerannt.
Thomas schreit: âºRaus! Alle raus!â¹ Matthias rappelt sich hoch, schnappt sich
die Kinder und rennt mit ihnen in die benachbarte Scheune. Und dann legte
Thomas los.«
Sie verstummte, die Erinnerungen bewegten sie. Tränen
füllten ihre Augen und rannen über ihre Wangen.
Wir blieben still, störten sie nicht. Clarissa und Jeanne
starrten betreten vor sich hin, Rodenstock schenkte Wein nach, Emma schüttelte
Backwerk aus einer Tüte in einen kleinen Metallkorb und stellte ein groÃes
Holzbrett auf den Tisch, auf dem Käse und Salami mit kleinen HolzspieÃchen aufgetürmt
waren.
Endlich redete Nadine Steil weiter. »Thomas flippte komplett
aus, ich habe ihn noch
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