Eifel-Kreuz
bekümmert. »Ich fürchte, ich bin zu derlei Auskünften
nicht befugt.«
»Kann ich Ihren Chef sprechen?«
»Warum wollen Sie das überhaupt wissen? Ich meine, das
bringt Ihnen doch nichts.«
»Vielleicht doch. Es sieht so aus, als gäbe es zwischen
dieser Frau und zwei Morden einen Zusammenhang. Ich bin Journalist und
recherchiere.«
»Trotzdem â dass Ihnen Auskunft gegeben wird, wage ich zu
bezweifeln.«
»Wie heiÃt Ihr Chef?«
»Dr. Manfred Sinnhuber«, antwortete er. »Er sitzt drei
Räume weiter auf der rechten Seite.«
Ich bedankte mich und ging.
Dr. Sinnhuber wollte nicht mit mir sprechen, weil Dr.
Sinnhuber keine Zeit hatte und weil Dr. Sinnhuber alles, was er wusste, schon
Kischkewitzâ Leuten gesagt hatte.
Die Krankenschwester, die mir das mitteilte, war ein Zweizentnerweib
mit einem Busen, der wie die Armierung eines Schlachtschiffes in diese Welt
ragte. Sie sah mich eindringlich an, als wollte ich unsittliche Anträge an
ihren Chef richten.
»Woher rühren die Verletzungen zwischen Wandas Beinen?«,
fragte ich.
»Wanda? Das ist das Erste, was ich höre, junger Mann.«
»Den Namen hatte sie in den Sand gekritzelt«, gab ich
vorsichtig Auskunft.
»Demnach wäre sie aus Polen.«
»Möglich. Oder aus Russland. Oder â wenn mich nicht alles
täuscht â aus Tschechien. Oder woher auch immer. Was ich weiÃ, ist, dass diese
junge Frau sich elend und einsam fühlt und eine Sterbensangst hat. Und deshalb,
verdammt noch mal, will ich wissen, was man ihr angetan hat!«
»Sie sind ganz schön hartnäckig«, sagte sie freundlich.
»Das ist mein Beruf«, nickte ich.
»Aber Sie nennen meinen Namen doch nicht, oder?«
»Wie sollte ich? Ich weià ja gar nicht, wie Sie heiÃen.«
»Stimmt«, kicherte sie und beugte sich leicht vor.
»Also, was hat man ihr angetan?«
»Ich heiÃe Renate«, sagte das Schlachtschiff gut gelaunt.
»Und ich bin der Siggi«, sagte ich. Ob sie so gut gelaunt
war, weil ich der erste Mensch an diesem Tag war, der ihr gegenüber nicht von
sich behauptete, er sei Napoleon? »Was ist mit Wanda geschehen?«
Unvermittelt wurde sie ernst. »Das muss furchtbar gewesen
sein. Sie wurde eingeritten.«
»Wie bitte?«
»In Zuhälterkreisen ist es Sitte, junge Frauen so auf das
Kommende vorzubereiten. Sie werden gezwungen, sich vielen Männern hinzugeben.
Drei, vier, fünf oder mehr, je nachdem, wie viele in der Nähe sind. Das geht
eigentlich nie ohne Verletzungen ab. Diese Frau ist schwer verletzt worden, sie
wird wohl nie Kinder haben können. Sie wird in Kürze operiert werden. Erst
danach werden wir versuchen, an sie heranzukommen.«
»Lieber Himmel«, sagte ich erschüttert. »Ich danke Ihnen.«
»Besser nicht«, sagte sie, drehte sich um und ging.
Â
Der Fall wurde immer verworrener. Ich konnte nicht
behaupten, alle Stränge gleichzeitig bedenken zu können.
Vom Parkplatz aus rief ich Rodenstock an und berichtete,
was ich erfahren hatte.
»Ich fahre jetzt zu Dickie Monschan. Vielleicht erzählt
sie mir etwas über Julia Dillinger. Gibtâs denn inzwischen was Neues?«
»Nein, nichts. Meld dich wieder.«
Der schnellste Weg von Wittlich nach Prüm führt über die
Autobahn, die weiter Richtung Belgien verläuft. Ich brauchte nur eine halbe
Stunde und hielt auf einem Parkplatz. Ich musste mal durchatmen, einen Blick in
die Landschaft nehmen und in Ruhe eine Pfeife rauchen.
Was hatte Sven Dillinger mit der jungen, missbrauchten
Frau zu tun gehabt? Gab es überhaupt eine Verbindung? Bei diesem Fall führte
nichts von einem zum anderen, bei diesem Fall gab es Tatkomplexe, die völlig
isoliert zu stehen schienen, wie Inseln in einem ziemlich verdreckten Meer.
Oder hing diese Wanda mit Svens Vater zusammen? Und was war mit Pater Rufus?
»Wir sind Freunde«, hatte Vater Dillinger über sich und den Pater gesagt. Was
für eine Sorte Freunde?
Möglicherweise hatten Sven und Gabriele diese Wanda aus
Polen herausgeholt ⦠Aber warum? Weil sie in die Hände von Zuhältern gefallen
war? War Dickie eingeweiht und hatte deshalb auf Wanda geachtet?
Ich rief erneut Maria Pawlek an. »Hast du inzwischen mit
Dickie reden können?«
»Ja. Aber angeblich weià sie nichts über Julia. Sie ist immer
noch sehr verletzt, weil wir uns bei Wanda
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