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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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zu.«
    Ich hatte nicht erwartet, dass sie das so schnörkellos
und hart formulieren würde.
    Â»Vielleicht kannst du deiner Mutter helfen, mit ihrer
Trauer fertig zu werden.«
    Â»Wohl kaum. Meine Mutter trägt die ganze Welt auf den
Schultern und sie ist die Einzige, die das aushalten muss. Damit macht sie mich
verrückt.«
    Â»Sie nimmt dich nicht in den Arm?«
    Â»Sie mich? Sie steht im Wohnzimmer, breitet die Arme aus
und schreit: Halte mich fest in meinem Schmerz!«
    Â»Na gut. Dann müssen wir eine andere Lösung finden. Was
ist, wenn ich dich zu Isabell Prömpers fahre? Kannst du nicht bei ihr bleiben?«
    Â»Das geht nicht. Für Isabells Mutter bin ich ein
schlechter Umgang, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Â»Und wenn ich dich mit zu mir nehme? Ich meine, ich habe
gerade Besuch von meiner Tochter und deren Freundin. Du wärst also nicht mit
mir allein.«
    Â»Wohnst du in einem Hotel?«
    Â»Nein, ich bin in Brück zu Hause.«
    Â»Das kenn ich nicht. Wo ist denn dieses Kaff?«
    Â»Am Arsch der Welt«, antwortete ich. Wir lächelten uns
zögerlich an.
    Â»Das können wir machen. Gibst du auch meiner Mutter
Bescheid?«
    Â»Natürlich. Was soll ich ihr sagen?«
    Â»Nur dass ich lebe«, antwortete sie. »Ich kann jetzt
nicht mit ihr reden.«
    Im Schnelldurchgang erledigte ich die Telefonate. Ich sagte
Julias Mutter, sie könne beruhigt sein, und die Frau antwortete: »In diesen
schweren Zeiten ist niemand beruhigt.« Dann war Rodenstock an der Reihe, den
ich bat, die Nachricht zu verbreiten, dass Julia bei mir zu Hause sei. »Außerdem
habe ich eine Waffe«, sagte ich, »eine leibhaftige Magnum. Die muss untersucht
werden.«
    Ich zwang mich, langsam und betulich zu fahren, um Julia
ein Gefühl von Gelassenheit und Sicherheit zu vermitteln.
    Â»Soll ich die Musik andrehen? SWR1?«
    Â»Nein, ist schon okay so. Das Gedudel geht mir auf den
Geist.«
    Â»Was hörst du denn gern?«
    Â»Mozart. Keinesfalls so was wie Tokio Hotel. «
    Â»Was mochte Sven?«
    Â»Sting. Grönemeyer. Aber er hat nicht viel Musik gehört,
er hat lieber diskutiert.«
    Â»Dieses Haus St. Adelgund. Warst du dort mal drin?«
    Â»Nein.«
    Â»Wie sind Sven und deine Eltern miteinander ausgekommen?
Gab es viel Zoff?«
    Â»Richtigen Zoff eigentlich nicht. Sven kam mit Papa nicht
klar. Aber es wurde nur selten laut, wenn du verstehst, was ich meine. Sven hat
zu Papa mal gesagt: ›Du gehst mir am Arsch vorbei.‹ Daraufhin ist Papa
ausgeflippt und Sven hat dagegengebrüllt: ›Du bist nichts anderes als ein
katholisches Märchen.‹«
    Mit dem schönen Wetter war es schon wieder vorbei, es
begann zu regnen und ich schloss das Glasdach.
    Â»Was, bitte, ist ein katholisches Märchen?«
    Â»Na ja, Sven sagte: ›Religion ist eine verdammte Erfindung.
Sie verbiegt alle. Und viele verstecken sich hinter ihrer Religion und lügen,
wenn sie das Maul aufmachen.‹«
    Â»Ist das nicht ziemlich einseitig?«
    Â»Nein, wieso? Er hatte ja nichts gegen den Glauben, er
hatte nur was gegen Leute, die sich den Glauben so zurechtbiegen, dass es für
sie gut passt.«
    Â»Und dein Vater war sauer.«
    Â»Klar. Er hat alles dafür getan, dass wir das Abi
kriegen. Hockte ständig mit Rufus zusammen. Spendete Geld. Ob wir gut waren
oder nicht, spielte eigentlich keine Rolle. Und dann kommt Sven mit solchen
Sprüchen.«
    Ich wollte irgendetwas erwidern, fand aber keine Worte.
    Und sie weinte wieder, weil sie etwas Wunderbares verloren
hatte. Wahrscheinlich würden Wochen vergehen, ehe sie in der Lage war, alles zu
begreifen, einzuordnen und über alles zu sprechen. Es würden Wunden bleiben,
tiefe Wunden.
    Angesichts der verletzten Seele neben mir fiel mir das Tagebuch
des Selbstmörders ein. Thomas Steils Frau hatte es Rodenstock geben wollen –
war das eigentlich passiert?
    Mir wurde klar, dass ich in diesem Fall immer wieder den
Überblick verlor, zu schnell wechselten die Szenerien, zu krass waren die
Unterschiede der Milieus, mit denen wir zu tun hatten.
    Als wir auf meinen Hof rollten, sagte ich: »Hier ist
alles friedlich, hier sind Leute, die dich nicht mit dämlichen Fragen quälen.«
    Â»Ja, gut«, nickte sie.
    Noch im Auto rief ich Rodenstock an und erklärte meine
Niederlage. »Ich muss erst einmal ein paar Dinge aufschreiben, ich blicke nicht
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