Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
auf Harley-Davidson spezialisiert hat. Vielleicht wissen die was.«
    »Was sollen sie wissen, verdammt noch mal? Er ist von der Rennstrecke gepustet worden. Einfach so.«
    »Scheiße, Rodenstock. Ich weiß es nicht. Ich habe so ein komisches Gefühl.«
    Er nickte betulich. »Dann folge deinem Gefühl. Telefonieren kannst du doch von überall, oder? Also fahr mich zu Irmchens Wohnung. Ich interessiere mich für ein Buch.«
    »Für ein was?«
    Er blickte ergeben zum Himmel auf. »Mach schon, Baumeister.«
    »Die Wohnung ist versiegelt!«
    »Das macht nichts. Dann breche ich ein und lege anschließend ein Geständnis ab.«
    »Du bist verrückt!«
    Er nickte. »Natürlich bin ich verrückt. Nur Verrückte können in deinem Dunstkreis überleben.« Sein Grinsen war teuflisch.
    Diesmal brauchte ich für die sieben Kilometer rund 45 Minuten.
    Vor Irmchens Haus herrschte Totenstille. Bis hierher hatte sich kein Formel 1-Fan verirrt. Allerdings stand irritierenderweise ein Lastzug einsam vor der Tür.
    »Das ist der Hausherr«, sagte Rodenstock. »Der Fritze, der das Haus gebaut hat, ist Lkw-Fahrer. Na gut, ich geh mal einbrechen.« Er hatte sein Handy am Ohr, als er durch den Vorgarten ging, und ich hörte noch, wie er sagte: »Kwiatkowski, ich muß in diese Wohnung. Nein, wichtig ist es wahrscheinlich nicht, aber ...«
    Über die Auskunft erhielt ich die Nummer der Harley-Vertretung in Bleckhausen. Eine muntere Stimme sagte: »Mein Mann ist am Ring. Und wie ich den kenne, geht er jetzt nicht ans Handy. Hat das nicht Zeit bis morgen?«
    »Klar. Ich wollte bloß eine Auskunft über Walter Sirl.«
    »Walter? Oh Gott, das ist tragisch. Er war so ein Lieber. Und heiraten wollte er auch. Wußten Sie das?«
    »Ja, das weiß ich. Könnten Sie mir trotzdem die Handynummer Ihres Mannes geben?«
    »Natürlich.« Sie diktierte sie mir, und ich bedankte mich artig und hoffte inbrünstig, daß der Harley-Spezialist sich melden würde. Er meldete sich nicht.
    Fluchend stand ich in der Sonne, als Rodenstock aus Irmchens Wohnung kam und triumphierend ein Buch schwenkte.
    »Das ist es!« sagte er. »Sieh mal rein.«
    Es war Alice im Wunderland. Ich klappte es auf, und eine Postkarte fiel heraus. Ich bückte mich und hob sie auf. Es war eine dieser alten Karten, die als Remake in allen Andenkenläden angeboten werden. Abgebildet war ein sehr frühes Pin-up-Girl. Ein Bein hatte die Frau kokett auf einen Schemel gestellt, und sie grinste etwas blöd in die Kamera. Sie trug einen mächtig langen, dunklen Rock, war dafür aber obenrum nackt und zeigte eine beachtliche Oberweite.
    »Alice nackt«, sagte Rodenstock lächelnd. »Zuweilen setze ich mir in den Kopf, irgendein Detail zu klären. Und das hier wollte ich klären. Irmchen hat Peter in stillen Stunden aus Alice im Wunderland vorgelesen. Und als Lesezeichen benutzte sie diese Postkarte. Wahrscheinlich hat Peter sie gefragt, ob die Frau Alice ist, und Irmchen hat geantwortet: Klar, das ist die Alice, nackt. Verstehst du. So einfach ist das Ganze.«
    So einfach.
    Die Haustür öffnete sich, und eine Frau erschien. Sie sah uns nicht sofort. Sie starrte schlafblind irgendwohin und gähnte herzhaft. Sie trug ein Hemdchen, das wesentlich kürzer war als jede sittliche Vorschrift, und reckte die Arme in die Luft. Sie war klein und schmal und hatte sehr langes schwarzes Haar, vielleicht war sie 25, vielleicht 30 Jahre alt. Sie rief über die Schulter zurück: »Ich hab dir schon Kaffee gemacht. Steht in der Küche.«
    Dann entdeckte sie uns, und sie zuckte zusammen und fuhr sich mit beiden Händen zwischen die Beine.
    »Allerliebst«, murmelte Rodenstock. Laut sagte er: »Guten Morgen, junge Frau. Haben Sie einen Moment Zeit?«
    »Oh, mein Gott«, sagte sie. »Ich hab doch nichts an.«
    »Das macht nichts«, versicherte ich ihr. »Das nehmen wir in Kauf.«
    Sie hatte den unteren Rand des Hemdchens zu fassen bekommen und zog ihn gewaltsam in Richtung Knie. Sie rief gedämpft: »Heiner! Heiner, mein Gott!«
    Jemand hinter ihr sagte: »Was ist denn?«
    »Da ist wer.«
    »Ja und?« fragte der Mann.
    »Ich hab doch nix an.«
    »Dann mußte das ändern«, antwortete der Mann. Zweifellos war er Eifeler, denn nur die sind so ungeheuer praktisch. Er nahm die Frau ganz sanft an der Schulter und zog sie ins Haus. Dann stand er in voller Herrlichkeit vor uns. Er trug Schießer, Baujahr wahrscheinlich 1880, der Hosenboden schlackerte zwischen seinen Knien. Aber er war gut gebaut und nicht im geringsten

Weitere Kostenlose Bücher