Eifel-Wasser
abwaschen dürfen. Und gestrichen hat er. Mit schwarzer Farbe.«
»Sie standen hinter dem Tresen, nicht wahr?«, sagte Rodenstock sanft. »Der Junge ging raus. Stand die Tür auf? Und weshalb sind Sie nicht sofort rausgerannt?«
»Nein, die Tür war nicht offen. Nur wenn es draußen warm ist, bleibt sie auf. Aber es war kühl. Also, der letzte Gast und ich, wir hörten ein Motorengeräusch. Nicht besonders laut. Und ich glaube, ich habe ein Husten gehört. Kurz darauf ging auch der letzte Gast, kehrte nach ein paar Sekunden aber wieder zurück und schrie: Es ist was mit Holger! Dann erst rannte ich raus. Da lag er da mitsamt seinem Fahrrad.«
»Wie war Ihr erster Eindruck«, blieb Rodenstock dran. »Kam es Ihnen vor wie ein Unfall oder wie etwas Gewolltes?«
»Darüber denke ich ununterbrochen nach. Bei jedem Bier, das ich zapfe. Nehmen wir mal an, da stand ein Auto. Das muss ja so gewesen sein. Dann hat es mit der Schnauze zur Straße gestanden, denke ich. Der Fahrer legt den Rückwärtsgang ein. So was passiert ja schon mal, schusselig ist jeder mal, nicht wahr? Er setzt also zurück. Aber er korrigiert sich doch sofort ... Er fährt maximal fünfzig Zentimeter zurück, bremst und legt den Vorwärtsgang ein. Das wäre normal. Doch Holgers Fahrrad stand hier vorn an der Ecke der Hauswand. Das weiß ich, weil ich an dem Abend draußen war, um einen Müllbeutel in eine der Tonnen zu schmeißen. Der Autofahrer musste also mindestens fünf Meter zurücksetzen, bis er Holger erwischen konnte. Danach hat er den Vorwärtsgang eingelegt und ist geflüchtet, wie die Polizei annimmt. Und das Ganze so leise, dass wir drinnen kaum den Motor gehört haben? Da quietschen doch sonst die Reifen, wenn jemand flüchtet, oder?«
»Sie vermuten also eine gezielte Aktion?«, fragte ich leise.
»Ja, was denn sonst?«, erwiderte sie gequält. »Ich kann mir ja nicht vorstellen, dass jemand Holger ... dass ihn jemand töten wollte ...«
»Wir danken Ihnen sehr«, versicherte Rodenstock. »Sie haben uns sehr geholfen.«
Wir verabschiedeten uns von der Frau. Im Wagen stellte Rodenstock beinahe wild fest: »Verdammt, die Frau beobachtet gut und genau. Jemand, der etwa fünf Meter zurücksetzen muss, bis er einen Menschen zerquetschen kann, und der dann fast lautlos wegfährt. Und der offensichtlich vor der Kneipe wartete. Das Ganze fast genau vierundzwanzig Stunden später, nachdem die Lawine im Steinbruch abgegangen ist. Das sieht böse aus, mein Lieber.«
»Was können wir jetzt tun?«
Er überlegte. »Wir können nachprüfen, ob Breidenbachs Sohn noch wach ist, ob er mit uns reden mag. Der Tote war doch angeblich sein bester Freund.«
»Es ist elf in der Nacht«, gab ich zu bedenken.
»Das ist mir wurscht«, sagte er grob. »Der mögliche Mörder hat sich auch nicht nach der Uhr gerichtet. Wo war Breidenbach zu Hause? Warte mal, ich erinnere mich. Da war ein hübsches Gasthaus an einem Markt, das sehr liebevoll mit Kuriositäten voll gestopft war. Bad Bertrich war nicht weit. Und dieses Driesch, wo dieser Holzaltar steht, warte mal, ich komm nicht drauf ...«
»Das ist Ulmen«, seufzte ich. »Wir müssen nach Ulmen.«
»Ich rufe die Auskunft an.«
Wenig später wusste Rodenstock die Telefonnummer der Breidenbachs und wählte sie. Er sagte: »Ich weiß, es ist schon nach elf, aber ich wollte fragen, ob wir kurz mit Ihrem Sohn sprechen könnten. Wegen des schrecklichen Todes von Holger Schwed. – Nein, wir sind nicht von der Polizei. Aber wir verfolgen den Fall mit Wissen der Polizei. Wir haben uns heute Morgen schon im Steinbruch gesehen. – Ja, das ist sehr nett. Wenn Sie mir sagen würden, wo wir hinmüssen, dann ...«
»Wo wohnen sie genau?«, wollte ich wissen, als Rodenstock das Gespräch beendet hatte.
»In einer Siedlungsstraße. Hinter dem Höchst heißt das.«
Ich fand es problemlos. Breidenbachs bewohnten ein neues Haus in einem abgefahrenen Stil, mit Erkern und Türmchen, wenngleich nicht ersichtlich war, wozu sie dienen mochten. Als wir aus dem Wagen stiegen, ging eine Reihe von Außenleuchten an, die wahrscheinlich von einem Bewegungsmelder gesteuert wurden. Im Vorgarten, der zur Straße leicht abschüssig war, standen drei Blautannen und eine kleine Trauerweide auf makellosem Rasen. Neben dem Haus befand sich eine Garage, die ohne Probleme für drei Fahrzeuge Raum bot.
Die Frau, die die Haustür öffnete, erklärte mit Flüsterstimme: »Ich bin Maria Breidenbach, wir kennen uns ja schon.« Jetzt trug sie
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