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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Das sind Bewegungen viele hundert Meter unter der Erdoberfläche. Man kann Kameras runterschicken, das wird auch dauernd gemacht, aber die Fließrichtungen sind immer noch nicht vorhersagbar. Mein Vater erklärte die Konsequenzen dessen mal mit folgendem Beispiel: Wenn einer am Nürburgring auf die Idee kommt, nach Sprudel zu bohren, kann er Glück haben und in zweihundert Metern Tiefe eine Schicht erwischen, der Wasser in unbegrenzter Menge entnommen werden kann. Im nächsten Moment kann es jedoch passieren, dass Apollinaris schreit: Moment mal, das ist unser Wasser! Apollinaris ist mehr als dreißig Kilometer entfernt und Apollinaris kann durchaus Recht haben.«
    »Eine Frage«, sagte ich. »Sind die Entnahmemengen eigentlich vorgeschrieben oder darf man in unbegrenzter Menge Wasser entnehmen?«
    »Das ist natürlich vorgeschrieben. Das zuständige Amt kennt die voraussichtliche Wassermenge, die Sie angebohrt haben, sehr genau«, erläuterte Heiner sofort. »Um zu sichern, dass die Wassermenge unter der Erde konstant bleibt – es fließt ja ständig welches nach –, bekommen Sie ein Kontingent zugeteilt. Water Blue zum Beispiel darf als neue Quelle pro Tag sechzigtausend Liter fördern.«
    »Wer kontrolliert denn das?«, fragte Vera erstaunt.
    Er lächelte. »Das ist kaum zu kontrollieren. Das läuft immer wieder auf ein Agreement unter Gentlemen hinaus.«
    »Und wer prüft die Wasser bei den großen Firmen?«, fragte Vera weiter.
    Er verzog den Mund abfällig. »Gewöhnlich wird es von Chemikern geprüft, die für den Hersteller arbeiten.«
    »Das bedeutet ja, sie prüfen sich selbst«, murmelte Emma. »Wie schön für sie. Sagen Sie, junger Mann, was ist mit den Brauereien, die immer erzählen, dass sie ihr Wasser aus einer Felsquelle oder aus einem tiefen Stein entnehmen – wie es im Werbefernsehen so schön heißt.«
    »Das ist grandioser Kappes!«, grinste er. »Es gibt Brauereien mit eigenen Tiefbrunnen. Aber andere entnehmen ihr Wasser schlicht und ergreifend der ganz normalen Trinkwasserleitung. Und was die Felsquelle anlangt, kann ich nur sagen, dass das absolut keine Wertung über die Qualität des Wassers zulässt. In den oberen Erdschichten kann immer Fels sein, durch den das Wasser austritt. Deswegen ist das Wasser nicht sauberer als anderes. Das sind so komische, hehre Naturbegriffe, die werbewirksam eingesetzt werden. Und die Verbraucher fallen drauf rein. Meine Schwester Jule sagt immer: Ein reines Wasser muss durch reinen Fels und kommt direkt vom Friedhof! Das ist böse, aber es trifft die Sache.«
    »Ist die Trinkwasserversorgung in der Eifel denn alles in allem gesichert?« Rodenstock fragte das lächelnd, um zu dokumentieren, dass wir alle höchst interessiert zuhörten.
    »O ja. Absolut. Wenn ein paar hundert Grundwasserquellen gegen Tiefbrunnen ausgetauscht werden würden, wäre die Eifel als Wasserlieferant in ganz Europa erste Sahne und wir könnten das Wasser noch tausend Kilometer weiter weg verkaufen. Aber das kapiert ja keiner.«
    »Das war alles hochinteressant.« Rodenstock schnitt eine zweite seiner dicken Zigarren an. »Aber wir sollten nun wieder zum Steinbruch zurückkehren. Sie sagten, dass Sie sich vorstellen können, wer Ihren Vater dort besucht hat. Wer?«
    »Der Chef der Fenestra natürlich«, antwortete Heiner schnörkellos. »Der wollte nämlich meinem Vater etwas abkaufen.«
    Es herrschte Stille, wir sahen ihn erwartungsvoll an.
    »Er will das Gutachten, das mein Vater anfertigte.«
    »Aber das hat doch der Chef Ihres Vaters«, rief ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Mein Vater muss was gerochen haben. Er hat sein eigenes Gutachten kopiert und bei uns zu Hause im Arbeitszimmer versteckt.«
    »Woher haben Sie diese Kenntnis?« Rodenstock hatte sich vorgebeugt.
    »Ich habe das Gutachten gefunden und gelesen«, war die einfache Antwort. »Mein Vater war ... er war eher ein schweigsamer Mann. Er sprach nicht viel über Berufliches ...«
    »Moment«, widersprachen Vera und ich gleichzeitig. Ich ließ Vera den Vortritt: »Ihr Vater hat Ihnen doch sehr viel über Trinkwasser beigebracht. So schweigsam kann er nicht gewesen sein.«
    Heiner überlegte. »Was Natur anlangt und Wasser ganz allgemein, hat er uns, also den Kindern, unheimlich viel beigebracht. Das stimmt. Aber berufliche Vorgänge ... da war er ganz Beamter, da gab es für ihn den Datenschutz aus meterdickem Stahlbeton. Nur diese Kiste mit den Leukämiefällen, die hat ihn berührt und seine Beamtenseele verunsichert.

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