Eifel-Wasser
Belgien und Holland sind. Und im Zeichen europäischer Nachbarschaften sind Pkw-Fahrer für Zöllner kein sonderlich interessantes Ziel.
»Es ist unvorstellbar«, sinnierte Rodenstock, »wie das noch vor wenigen Jahren aussah. Grenzen, nichts als Grenzen, nichts als Misstrauen. Das erinnert mich immer an meinen Vater. Er war Beamter wie ich und er konnte mit Beamten, in welcher Uniform sie auch steckten, überhaupt nicht umgehen. Wahrscheinlich machte er deshalb bei Grenzübertritten immer ein bedrücktes Gesicht und sah aus wie ein potenzieller Schmuggler. Jedenfalls wurde unser Auto grundsätzlich durchsucht und grundsätzlich verloren wir auf den Fahrten an die Zuidersee oder nach Gent und Brügge mindestens eine Stunde. Es war furchtbar und mein Vater schämte sich jedes Mal.« Er lachte verhalten in der Erinnerung.
Ich folgte ohne Anstrengung dem MÜLLER-FRANK-FURT-hkw, und als er in Richtung Prüm auf der A 60 entlangschnurrte, ließ ich unser Auto zurückfallen, sodass ich nur noch knapp die Rücklichter im Blick hatte.
Es wurde eintönig. MÜLLER FRANKFURT vor uns rauschte gleichmäßig mit einer Geschwindigkeit von etwa 90 bis 100 km/h durch deutsche Lande auf Belgien zu. Nur einmal irritierte uns der Fahrer, als er einen Parkplatz anfuhr. Er stellte den Motor ab, ließ die Kabine verdunkelt.
»Der wird doch wohl nicht schlafen«, sagte Rodenstock ahnungsvoll.
»Glaube ich nicht.« Ich nahm das Fernglas und erklomm einen Erdhügel. Der Fahrer hatte inzwischen einen kleinen Lichtspot eingeschaltet. Er machte irgendetwas, aber was? Plötzlich verstand ich: Er drehte sich einen Joint, baute sich eine Tüte. Er zündete ihn an und zog genussvoll.
»Er wird gleich weiterfahren. Er löst sich nur ein wenig von der Erdenschwere und zieht einen Joint durch«, berichtete ich.
»Na so was!«, sagte Rodenstock etwas entrüstet.
Endlich ging es weiter. Kurz vor St. Vith überquerten wir die Grenze und rollten nach einem kurzen Aufenthalt weiter bis Malmedy. Dann ging es in das Autodrom von Francorchamps, weiter auf der belgischen 62 auf Spa zu. Etwa zehn Kilometer vor der kleinen Stadt hatte der Lkw sein Ziel erreicht. Der Wagen bog rechts in eine schmale Straße ein, an deren Mündung ein großes, weißes Holzschild stand mit der Aufschrift: Blue Velvet.
»Das ist ein Elvis-Presley-Titel«, sagte ich.
»Hier nicht«, entgegnete Rodenstock trocken. »Sei jetzt vorsichtig. Rutsch nicht so nah ran.«
MÜLLER FRANKFURT wurde extrem langsam, durchfuhr eine steile Kurve, wurde noch langsamer.
»Gib auf«, murmelte Rodenstock hastig. »Der ist am Ziel.«
Vor uns tauchte erneut ein weißes Schild auf, wieder die Aufschrift Blue Velvet und darunter: Wasser des Lebens.
Der Tanker rollte jetzt rechts auf das Gelände. Dort gab es viele große, schneeweiße Tanks, jeder mit der Aufschrift Blue Velvet. Ich gab Gas und wir rutschten an der Einfahrt vorbei. Nach etwa dreihundert Metern stoppte ich.
»Was machen wir jetzt?«
»Nichts«, sagte Rodenstock. »Wir müssen nichts machen. Das nehmen uns entweder die belgischen Kollegen ab oder aber sie übergeben an Europol. Es ist doch klar, was hier passiert.«
»Ja?«, fragte ich unsicher.
»Vergiss den toten Franz-Josef Breidenbach nicht. Geh immer von ihm aus.« Rodenstock wirkte ruhig, aber auch erschöpft, es war so, als sei er irgendwo angekommen. »Jetzt ist klar, was Rainer Still macht. Er verdient mit der Grenze nach Belgien Geld! Erinnere dich, dass Breidenbach in seinen Kalender schrieb Spa! Ausgerechnet Spa! Breidenbach muss recherchiert haben, muss hier gestanden haben, wo wir jetzt stehen. Er entdeckte Blue Velvet, eine Firma, die Wasser aus Bad Bertrich bezieht, von der Firma Water Blue. Still schickt das Wasser hierher und es wird hier abgefüllt. Dadurch spart er hohe Kosten für den Grünen Punkt. Still ist natürlich auch Eigentümer von Blue Velvet. Wenn die Tankwagen auf dem Pumpenhof von Water Blue in Bad Bertrich vorfahren, legt irgendeiner einen Hebel um und lässt Wasser aus 230 Metern Tiefe in die Tankwagen rauschen. Vier Tankwagen, jedes Mal vier mal 25.000 Liter. Aus einem Wasserreservoir, das es offiziell gar nicht gibt, werden jede Nacht 100.000 Liter Sprudel nach Belgien geschafft. Hier wird das Wasser in Flaschen gefüllt und Blue Velvet genannt. Das reicht, wir können heimfahren, wir können Kischkewitz davon erzählen und dann hat er ein schönes Mordmotiv: Habgier!«
Ich nickte. »Ich würde gern erst noch nach Spa reinfahren und in
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